Wie entsteht Rotwein? (Teil 1)

Bei den meisten Rotweinsorten (und bei allen Spitzensorten) ist der Saft in den blauen Beeren völlig farblos. Farbstoffe und Tannine sind (wie auch die meisten Mineralstoffe) in der Schale eingelagert. Dieses Phänomen macht die Rotweinsorten wesentlich vielseitiger als die Weißweintrauben:

Weißer Wein aus blauen Trauben 

Werden blaue Trauben (von Sorten ohne färbendem Saft) sorgfältig von Hand gelesen, vorsichtig in kleinen Behältern transportiert und ohne allzugroße Belastung direkt in die Presse gefüllt, kann man aus blauen Trauben auch Weißwein erzeugen. Da bei dieser Vorgangsweise die Schalen kaum verletzt werden, geben diese auch keine Farbstoffe frei und der erste Saft, der bei einer schonenden Pressung (u.U. mit besonderen Preßtypen) abläuft ist beinahe wasserhell (da ja auch die typischen Weißweinfarbstoffe fehlen).

„Weißgepreßte“ Rotweinsorten, in Österreich manchmal auch „Clarett“ genannt, sind selten und werden meist mehr wegen des Aha-Effektes als wegen des tatsächlichen Geschmacks produziert. Rote Rebsortenbezeichnungen auf dem Etikett eines offensichtlichen Weißweines wirken kurios und wecken die Neugier vieler Konsumenten. Die Weine selbst sind im besten Fall angenehm fruchtig, aber fast immer sehr dezent und schlank.

Ihre Hauptanwendung findet diese Methode traditionellerweise beim Champagner, der meist zu zwei Drittel aus weißgepreßten Rotweinsorten (Pinot noir und Pinot meunier) und nur zu einem Drittel aus Chardonnay besteht.

Der Rose: Keine Mischung aus Rot- und Weißwein!

Wenn man die blauen Trauben weniger vorsichtig behandelt oder sogar rebelt (von den Stielen trennt) und quetscht, bevor sie gepreßt werden, entsteht Rosé. Je nach Temperatur, Dauer der Auslaugung und Verarbeitung reicht seine Farbpalette von einem kaum sichtbaren Rosa bis zur Farbtiefe eines hellen Rotweins.

Ein Sonderfall der Rosébereitung ist die sogenannte Saignee-Methode. Wenig schmeichelhaft, aber zutreffend gesagt ist der Rosé dabei ein Nebenprodukt, das entsteht, wenn man Rotwein auf konventionellem Weg konzentrieren möchte. Der Rosé läuft dabei nicht aus der Presse, sondern wird von einem Rotweinmaischetank abgelassen, bevor die Gärung beginnt. Die zum Rosé-Most zugehörigen Schalen werden nicht als Trester entsorgt, sondern bleiben im Tank. Damit stehen dem Saft, der zu Rotwein vergoren wird mehr Farb- und Extraktstoffe sowie Tannine zum Auslaugen zur Verfügung.

Diese Art der „Konzentration“ erhöht zwar nicht den Zuckergehalt (bzw. den daraus vergorenen Alkohol), aber sie kann das schlechtere Verhältnis zwischen Saft und Schale von großen Beeren zumindest teilweise wettmachen. Eine sinnvolle Verwendung des Rosés und einen Verkaufspreis, der den Aufwand und die Mengenreduzierung lohnt vorausgesetzt, kann man auf diesem Weg die Qualität verbessern und/oder den Weinstil ändern. Saftabzüge jenseits der 15% machen die Weine deutlich tanninbetonter. Bei reifem Ausgangsmaterial und langer Faßreife kann das erwünscht sein, bei Weinen die früh konsumiert werden oder aus Trauben mit unreifen Tanninen stammen weniger.

Ein Saftabzug ist daher vor allem bei Trauben mit reifen Tanninen in der Schale naheliegend, die (zu) große Beeren haben, weil es sich um großbeerige Sorten handelt, sie aus (zu) wuchsstarken Junganlagen stammen oder aus Jahrgängen mit (zu) viel und vor allem spätem Niederschlag, der die Inhaltsstoffe der Beeren knapp vor der Lese verdünnt hat.

Wie kommt die Farbe in den Wein? 

Um genug Farbstoffe aus der Schale zu extrahieren muß der Saft sehr intensiven Kontakt mit der Schale haben. Je reifer die Trauben sind, umso leichter sind die Farbstoffe löslich und umso stabiler sind sie auch während er späteren Reife des Rotweines. Überreife Trauben mit weich gewordener Schale oder sogar (Edel-)Fäule haben deutlich weniger Farbstoffe als vollreife, die noch dazu sehr oxidationsanfällig sind und leicht braun werden.

Während beim Weißwein ein gewisses Maß an Fäulnis auch für trockene, fruchtbetonte Weine toleriert werden kann oder sogar positive Auswirkungen auf die Komplexität des Weines hat, verschlechtert beim Rotwein schon der kleinste Anteil an Überreife oder Fäulnis die Qualität von Farbe, Geruch und Geschmack.

Abgesehen vom Reifezustand der Trauben hängt die Extraktion der Farbstoffe aus der Schale von folgenden Faktoren ab: Von der Temperatur, der Durchmischung von Saft und Schalen, dem bei der Gärung entstehenden Alkohol, von enzymatischen Zersetzungsprozessen der Beerenschale und von der Dauer des Kontakts mit der Schale.

Maischeerhitzung 

Die Maischeerhitzung nützt die Möglichkeiten der modernen Technik und extrahiert die Farbstoffe vorwiegend über die Temperatur. Je nach Verfahren wird die Maische, d.h. die Mischung von Schalen, Saft und Kernen, entweder für einige Stunden auf 50 bis 60°C erhitzt oder für wenige Minuten auf rund 80°C und anschließend wieder rückgekühlt.

Bei diesen Temperaturen gehen die Farbstoffe sehr rasch in den Saft über, sodaß die Maische anschließend sofort gepreßt werden kann. Der tiefrote Saft, der von der Presse läuft wird wie Weißwein vergoren, auf jeden Fall aber mit Reinzuchthefen, da die Hefen in der Maische durch die Hitze abgetötet oder zumindest geschädigt wurden.

Die Maischeerhitzung ist ein einfaches Verfahren, daß zwar einen großen Wärmeaustauscher benötigt, allerdings keinerlei spezielle (und teuer) Rotweingärtanks, die unter Umständen nur einmal pro Jahr benützt werden. Die kontinuierliche Arbeitsmöglichkeit macht auch große Mengen bewältigbar, weshalb diese Methode vorwiegend in Großbetrieben zum Einsatz kommt.

Aus qualitativer Hinsicht ist die Maischeerhitzung nicht unbedingt zu empfehlen. Da die Tannine (Gerbstoffe) aus der Schale weit schwerer zu extrahieren sind, haben maischeerhitzte Rotweine meist nur sehr wenig Tannin. Das macht sie zwar früh zugänglich, dafür leiden aber sowohl die Geschmacksfülle als auch die Lagerfähigkeit der Weine.

Die hohen Temperaturen bei der Verarbeitung lassen die Weine oft marmeladig schmecken, und da auch für die Reife wichtige Enzyme durch die Hitze geschädigt werden, haben diese Weine kaum Potential.

Diese Nachteile können durch ein Verschneiden mit maischevergorenen Chargen gemildert werden, für hochwertige Rotweine kommt die Maischeerhitzung trotzdem nicht in Frage.

Maceration carbonique

Auch die Maceration carbonique erbringt keine Spitzenweine mit Potential. Für außergewöhnlich fruchtige Rotweine, die jung getrunken werden, ist sie dennoch interessant. Dabei werden die Trauben nicht gerebelt, sondern möglichst unversehrt in einen Gärtank gefüllt. Mit CO2 wird anschließend die Luft aus dem Tank verdrängt. Unter diesen Bedingungen setzt in den Beeren ein Zerfallsprozeß ein, bei dem bis zu vier Prozent Alkohol entstehen. Die Zellen der Beerenschale setzen die Farbstoffe und sehr viel Aroma frei, ohne allzuviel Tannin abzugeben.

Nach einigen Tagen wird der Wein gepreßt und der restliche Zucker mittels Hefen zu Alkohol vergoren. Das Resultat ist ein farbkräftiger, aromatischer Rotwein, der wegen seines geringen Tanningehaltes früh trinkreif ist. Nicht umsonst wird die Maceration carbonique vor allem für den Beaujolais nouveau eingesetzt.

5 Gedanken zu „Wie entsteht Rotwein? (Teil 1)“

  1. „Farbstoffe und Tannine sind (wie auch die meisten Mineralstoffe) in der Schale eingelagert. Dieses Phänomen macht die Rotweinsorten wesentlich vielseitiger als die Weißweintrauben.“

    Bernhard, liegt’s wirklich an den roten Trauben, oder eher an der Weinbereitung, dass rote Trauben eben nicht sofort abgepresst werden und läger in Kontakt mit der Beerenschale bleiben. Immer öfter gibt es Weißweine, die ähnlich hergestellt werden und ähnlich komplex sind (Kühn, Gravner, Vodopives, oder auch der eine oder andere Experimentalweine lokaler Winzer).

  2. Hallo Peter!

    Es mag ja da oder dort ganz interessante Weißweine geben, die auf der Maische angegoren oder komplett durchgegoren wurden. Aber es hat sicherlich auch Gründe, daß sich diese Methode in den Jahrtausenden, die der Mensch jetzt schon an der (Weiß-)Weinbereitung herumtüftelt nicht durchgesetzt hat.

    Aus deinem Satz „…die ähnlich hergestellt werden und ähnlich komplex sind…“ könnte man herauslesen, daß „normale“ Weißweine die Komplexität eines Rotweines nicht erreichen können. Das sehe ich freilich anders. Es braucht keine Experimental-Rotweinvinifikation um komplexe Weißweine zu machen, sondern „nur“ niedrige Erträge, gute Lagen, hohe Traubenreife, entsprechenden Ausbau, Flaschenreife,…

    Was die Farbe betrifft (wie ich glaube aber nicht nur die) sind die Rotweinsorten aber auf jeden Fall vielseitiger. Weißweinsorten ergeben immer Weißwein, egal wie sie verarbeitet werden. Die Bandbreite reicht höchstens von wasserhell bis dunkles Bernstein.

    Blaue Trauben hingegen können Weißweine, helle oder dunkle Rosés, helle, dunkle und sogar undurchdringlich „schwarze“ Rotweine mit all ihren Farbschattierungen ergeben. Das reicht von beinahe violett über rubinrot bis hin zu ziegelrot, rotbraun, orange und bernsteifarben.

    Grüße

    Bernhard

  3. Bernhard, es ging mir nur um die Aussage „Rotweintrauben wären per se komplexer als Weißweintrauben“, was ich auch nach Deinem letzten statement nicht glauben will. Beinhalten rote Beerenschalen denn mehr Inhaltsstoffe als grüne? Wie sähe es dann bei Grauburgunder aus, wie bei Edelfäulnis? Darum ging’s mir.

  4. Sorry, Peter!

    Ich wie du in deinem ersten Kommentar richtig zitiert hast, habe ich von „vielseitiger“ und nicht von „komplexer“ geschrieben. Vielseitigkeit und Komplexität sind zumindest für mich ziemlich verschiedene Paar Schuhe. Ich halte Weißweine nicht per se für weniger komplex als Rote, selbst wenn die Weißen wie üblich nicht auf der Maische vergoren werden.

    Eigentlich dachte ich, daß das in meinem Kommentar auch recht gut zum Ausdruck kommt: „…könnte man herauslesen, daß “normale” Weißweine die Komplexität eines Rotweines nicht erreichen können. Das sehe ich freilich anders. Es braucht keine Experimental-Rotweinvinifikation um komplexe Weißweine zu machen…“.

    ???

    Bernhard

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