Trübe Ansichten

Foto: ÖWM / M. Stelzhammer

Noch ist der neue Jahrgang keine drei Monate alt, aber schon vor Wochen hat der Reinlichkeitsfimmel wieder einmal weite Teile der Weinbauernschaft erfaßt. Landauf landab summen die Kieselgur- und sonstigen Filter auf Hochtouren, um auch das letzte Trubteilchen aus dem Jungwein zu holen und ihn auf Hochglanz zu bringen.

Waren die Hefezellen während der Fermentation noch gern gesehene Gäste (oder für manche zumindest notwendiges Übel), betrachten sie viele Kellermeister nach dem letzten Glucksen der Gärung als Schmutz, der so schnell wie möglich aus dem Wein geholt werden muß. Koste es was es wolle.

Zugegeben: In manchen Fällen ist eine rasche Klärung besser für den Wein, und hin und wieder erzwingen auch kommerzielle Notwendigkeiten eine frühe Filtration. Außerdem darf und soll natürlich jeder Kellermeister tun und lassen was er für richtig hält.

Aber wenn man nicht wenigstens bei Weinsegnungen und ähnlichen Veranstaltungen in der Lage und/oder Willens ist, einen naturtrüben Wein als symbolischen Vertreter des neuen, unfertigen Jahrgangs zu präsentieren, hat man meiner Meinung nach entweder kein Gespür für die Materie oder ein gestörtes Verhältnis zum Thema Feinhefe.

2 Gedanken zu „Trübe Ansichten“

  1. hallo bernhard!
    bin ganz deiner meinung! halte vom „zu-tode-filtrieren“ überhaupt nichts…
    mich würde deine meinung interessieren: mein bester grüner veltliner und rheinriesling haben soeben die gärung beendet. einige wochen (wenn möglich) möchte ich diese weine noch auf der voll-hefe belassen. danach einge monate auf der feinhefe. ist es sinnvoll bzw das risiko wert, ohne „vorfiltriren“ (kieselgur), quasi mit einmal filtrieren (unmittelbar vor der füllung) den wein direkt auf die flasche zu ziehen (ca. im mai oder erst im sommer…)?? bin gespannt auf deine meinung bzw erfahrungen (rot und weisswein?)
    schöne grüße aus dem nebeligen retzer-land!

  2. Hallo Martin!

    Tipps aus der Ferne sind schwierig, denn nur durch laufendes Verkosten bekommt man ein Gefühl dafür, ob dem Wein der (Fein-)Trub noch guttut, oder nicht.

    Was Weißwein betrifft, so habe ich zumindest bis März oder April schon problemlos so gearbeitet. Einmal (nicht zu früh) von der Vollhefe abgezogen, monatelang auf der Feinhefe und am Tag vor der Abfüllung dank Selbstklärung recht problemlos (wenn auch trotzdem in zumindest zwei Schritten abfüllfertig filtriert.

    Aus dem Vorjahr habe ich noch einen kleinen Tank mit Welschriesling im Keller, der wurde bis heute nicht filtriert (und ist oberhalb des Bodensatzes trotzdem fast spiegelklar). Ich habe nicht den Eindruck, dass ihm das geschadet hätte. Aber wie gesagt, verallgemeinern würde ich das nicht.

    Bei den Rotweinen ist es sogar eher die Regel, als die Ausnahme, dass die Filtration erst in der Vorbereitungsphase der Abfüllung erfolgt. Wobei man da aufpassen muß, dass der Hefetrub nicht zu viel Sauerstoff bindet und die Weine zu reduktiv werden. Gelegentliches Umziehen mit Belüftung ist also angesagt.

    Grüße

    Bernhard

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