Laubarbeiten (2)

Beim Recherchieren im eigenen Blog (ja, so umfangreich ist er schon, nach nichteinmal einem Jahr 😉 ) für einen Beitrag über das Ausdünnen bin ich auf diesen Artikel über die Laubarbeit gestoßen, der bisher keine Fortsetzung gefunden hat, obwohl ich diese offenbar geplant hatte.

Seit dem damals beschriebenen Ausjäten der Triebe hat sich punkto Laubarbeit viel getan:

„Einstricken“

Unter dem Mundartbegriff „Einstricken“ versteht man das Formieren der Triebe in den Drahtrahmen. Dabei werden die grünen Triebe während der Hauptwachstumsphase im Mai und Juni in einem oder mehreren Durchgängen in die Drähte des Unterstützungsgerüstes gesteckt, um eine schlanke und gleichmäßige Laubwand zu erhalten. Je enger die Weinstöcke gepflanzt sind, und je höher die vom Erziehungssystem vorgegebene Laubwand (was Vorteile für die Qualität und/oder den Ertrag bringt), umso wichtiger ist eine möglichst exakte Formierung der Triebe.

Um den hohen Arbeitsaufwand in annehmbaren Grenzen zu halten, sollte das Einstricken zum richtigen Zeitpunkt erfolgen. Sind die Triebe zu kurz, bleiben die meisten von ihnen nicht im Drahtrahmen und die Arbeit ist zwar schnell, aber wenig effektiv. Sind sie zu lang, verlieren sie zwar auch bei stärkerem Wind nicht den Halt, aber es ist es sehr mühsam und zeitaufwändig, die Triebe ohne allzugroßen Bruch in die Drähte einzufädeln. Das Einstricken erfolgt bei uns nach wie vor von Hand, wie dieses Video zeigt, gibt es aber auch dafür bereits sehr gut funktionierende Maschinen.

Einer der wesentlichen Vorteile der in den 1970ern und 80ern weit verbreiteten Hochkultur nach Lenz Moser war die (zumindest theoretische) Möglichkeit, auf das Einstricken komplett oder zumindest weitgehend zu verzichten. Breite Rebzeilen und hohe Stämme sollten genug Platz für die Reben schaffen, die nicht von selbst in den Drahtrahmen hineingewachsen sind. In der Praxis führt der Verzicht auf ein Formieren der Triebe zu einer vom Wind bestimmten schlechten Verteilung der Blattmasse mit viel Schatten, schlechter Durchlüftung (Mehltau- und Fäulnisgefahr) und jede Menge Windbruch.

Diese Art der Traubenproduktion nach dem Motto „günstige Produktion bei mittlerer Qualität“ genügt in vielen Fällen den heutigen Ansprüchen nicht mehr, weshalb die meisten Qualitätswinzer die grünen Triebe (wieder) mehr oder weniger exakt einstricken. Das bedeutet zwar einen höheren Arbeitsaufwand, macht aber auch enger gepflanzte Weingärten (geringere Stockbelastung mit höherer Qualität) und niedrigere Stämme (bessere Ausnutzung der Abstrahlungswärme des Bodens) möglich.

Wipfeln

Das Einkürzen der Triebe wenn sie etwa 30 bis 40 Zentimeter über den obersten Draht ragen habe ich hier bereits ausführlich beschrieben. Nach einem ersten Durchgang im Juni sind wir jetzt gerade dabei die seither gewachsenen Triebspitzen erneut einzukürzen.

Entblättern und Ausgeizen

In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, Blätter und Geiztriebe (Seitentriebe der Hauptreben) im Bereich der Traubenzone zu entfernen. Diese Maßnahmen verbessern die Durchlüftung der Laubwand und helfen so, Pilzkrankheiten vorzubeugen. Außerdem werden die Trauben besser besonnt, was deren Temperatur erhöht und vor allem bei Rotweinsorten durchaus positive Auswirkungen haben kann.

Eine stärkere Besonnung der Trauben führt meist zu dickeren Beerenschalen mit mehr Farbstoffen und Tanninen. Auch die Abnahme der Säure während der Traubenreife geht schneller voran, was beim Rotwein ebenfalls eher als Vorteil zu sehen ist. Weißweintrauben reifen meist besser im Halbschatten ohne alzugroße Sonnenbestrahlung. Das fördert eher die Aromaentwicklung und bewahrt mehr Säure in den Trauben.

Wie man unter anderem mit dem Entblättern auf die Besonderheiten des Jahrgangs(wetters) reagieren kann, habe ich hier bereits einmal geschrieben. Und das Geiztriebe dem Rebstock nicht nur Substanz kosten, sondern mit ihren jungen und leistungsfähigen Blättern auch eine ganz wichtige Funktion erfüllen habe ich im Beitrag über das Wipfeln erklärt.

Ausdünnen als letzte Ertragskorrektur

Nach dem Rebschnitt und dem Jäten (bei dem unter Umständen auch Kümmertriebe mit Trauben weggebrochen werden) ist das Ausdünnen knapp vor Reifebeginn die letzte Möglichkeit, um den Ertrag der Rebstöcke auf ein qualitativ wie wirtschaftlich sinnvolles Niveau zu reduzieren, wenn die Natur uns Winzern mehr Trauben schenkt, als wir für sinnvoll erachten.

Dabei schneidet kein Winzer gerne knapp vor dem „Endspurt“ des Weinjahres Trauben auf den Boden. Schließlich hat er bis dahin viel Mühe investiert, um den Weinstock und die Trauben zu hegen und zu pflegen. Bei jungen Rotweingärten (aber auch bei anderen) geht es aber aus folgenden Gründen kaum ohne diese „Notbremse“:

Jahrhundertelang stand die Ertragssteigerung und vor allem die Ertragssicherheit im Weinbau im Vordergrund. Fast alle Veränderungen (viele, aber nicht alle davon waren bzw. sind Verbesserungen) im Bereich der Rebvermehrung und -züchtung, bei den Erziehungssytemen, im Pflanzenschutz, bei der Bodenbearbeitung, der Düngung, etc. zielten auch oder vor allem auf höhere und/oder gleichmäßigere Erträge ab.

Ohne diese jahrhundertelange Entwicklung wäre es heute, wirtschaftlich gesehen, um den Weinbau schlecht bestellt. Seit vergleichsweise kurzer Zeit steht aber heutzutage bei den Weintrinkern – und damit zwangsläufig auch bei den Weinbauern – nicht mehr die Menge im Vordergrund, sondern die Qualität. Bei guter Vermarktung sind heute Weinpreise zu erzielen, die praktisch jeden noch so geringen Ertrag und jede noch so aufwändige Bewirtschaftung der Weingärten wirtschaftlich möglich machen.

Dieser radikale Wandel der Kauf- und Konsumgewohnheiten erfordert eine entsprechende Anpassung der Weingärten, die aber nicht von heute auf morgen erfolgen kann. Schließlich dauert ein Weingartenleben 30 Jahre und länger, und der Weg von gleichmäßig hohen Erträgen bei akzeptabler Qualität zu gleichmäßig niedrigeren Erträgen bei sehr hoher Qualität ist lang. Ebensolang wie der von den unregelmäßigen, stark in Qualität und Quantität schwankenden Ernten vergangener Jahrhunderte bis heute.

Um bereits heute, oft mit relativ jungen und daher von Natur aus besonders ertragreichen Reben die von den Weinkonsumenten geforderte Qualität erzielen zu können, ist es daher mitunter notwendig, einen Teil der Trauben knapp vor Reifebeginn wegzuschneiden, damit die verbleibenden besser ausreifen und eine höhere Qualität erreichen können.

Mehr darüber gibt es demnächst in einem eigenen Beitrag zu lesen.

8 Gedanken zu „Laubarbeiten (2)“

  1. Mit Verlaub Bernhard, dein Hinwies darauf das in unseren Weinbergen wegen günstiger Produktion erhöhter Windbruch, mehr Fäulnisdruck herrschen soll muß ich doch weit von mir weisen. Du pflegst romantische theoretische Vorstellungen die nicht der Praxis entsprechen. Wir bemühen uns wie du Qualitätsorientiert zu arbeiten, da kann es nicht sein das der Hinweis auf eine Maschine genügt um zu schreiben das wäre „günstige Produktion für mittlere Qualitäten“.

  2. Hallo Thomas!

    Es tut mir leid, wenn meine Formulierung offenbar mißverständlich war (weshalb ich sie auch geändert habe).

    Das von mir angesprochene Risiko von Windbruch und Pilzkrankheiten sowie die „günstige Produktion bei mittlerer Qualität“ bezieht sich NICHT auf das in deinem Video dargestellte maschinelle Formieren der Triebe, sondern auf den völligen Verzicht auf jegliches Formieren.

    Wir haben diese ursprüngliche Form der Lenz-Moser-Hochkultur („jeder Trieb sucht sich selbst den besten Platz an der Sonne“) gut 15 Jahre lang selbst praktiziert, ich weiß also wovon ich rede.

    Wenn die österreichischen Weinbaugebiete nicht so nah an der Grenze zu Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien liegen würden, wäre bei uns der Anteil an maschineller Laubwandformierung und maschineller Ernte auch bereits deutlich höher. Selbst bei denen, die tatsächlich eine romantische, theoretische Vorstellung von der Weingartenarbeit pflegen (was ich nicht tue).

    In der Hoffnung, alle Mißverständnisse ausgeräumt zu haben

    Bernhard

  3. 🙂
    Danke Bernhard, jetzt ist mir wohler, vermutlich habe auch nur ich das so verstanden wie ich es verstanden hatte, denn ich war schon überrascht kenne ich dich ja wirklich nicht als romantisch verklärten Blogger und Theoretiker, ganz im Gegenteil!!
    Sorry für die Mühe!!

  4. Hallo Herr Fiedler,

    zunächst Gratulation zu Ihrem Blog voll fundierter Information! Für mich als Hobbywinzer mit Ambition zu etwas mehr (200 Stöcke am Bisamberg in Wien) ist der Blog zu einer wichtigen Quelle von Anregungen geworden. Zum Thema Einstricken: wie verhindern Sie (und all die anderen qualitätsorientierten Berufswinzer), dass sich die eingestrickten Triebe im Drahtrahmen durch den Wind schräg stellen und dabei Zonen der Verdichtung und Löcher bilden? In meinem W-O, also in der Hauptwindrichtung ausgerichteten Weingarten verhindere ich dies durch Anheften von bis zu 80% der Triebe an den Drahtrahmen, was in einem größeren Weingarten eher schwer vorstellbar ist. Wie gehen Sie mit dem Problem um, oder ist es gar keines (wenn die Triebe nicht alle im gleichen Abstand stehen)? Mit herzlichem Dank im Voraus und den besten Grüßen,

    M. J.

  5. Sehr geehter Herr M. J.!

    Herzlichen Dank für Ihr Kompliment. Was das Einstricken betrifft bzw. die vom Winde verwehten Triebe gibt es sehr große Unterschiede von Weingarten zu Weingarten.

    Dabei spielt nicht nur die von Ihnen schon angesprochene Reihenausrichtung eine Rolle, sondern auch die Sorte und das Unterstützungsgerüst.

    Bei Sorten die viele Ranken bilden (ganz extrem sind Welschriesling und Cabernet Sauvignon, aber auch die meisten anderen unserer Sorten haben nicht zu wenige Ranken) löst sich das Problem meist von alleine, vor allem wenn die Drahtpaare des Drahtrahmens nicht zu weit voneinander entfernt sind.

    Neuburger, Weißburgunder und Veltliner sind etwas problematischer, aber auch bei diesen Sorten kommen wir zu einer guten Laubverteilung, wenn wir nur hin und wieder (im Schnitt vielleicht einmal alle 5 bis 7 Stöcke) beim Einstricken die beiden Drähte eines Drahtpaares mit einem Band relativ eng zusammenbinden.

    Das verringert nicht nur auf ein paar Metern den Abstand zwischen den Drähten (und erleichtert damit den Reben Halt zu finden) sondern bremst auch „aktiv“ das Schrägstellen der Triebe, weil es sie auffängt.

    Davon abgesehen versuchen wir beim Schnitt und beim Anbinden die Fruchtbögen mit dem Wind zu formieren. Das führt dazu, dass die allermeisten Triebe in die gleiche Richtung schräg stehen und weniger Laubwandverdichtungsprobleme auftreten.

    Außerdem legen wir darauf wert, dass wir beim Auspflanzen die Stöcke in der Reihe nicht zu eng nebeneinander setzen. Da bleibt dann beim heutigen qualitätsorientiert kurzen Schnitt genügend Platz für alle Triebe, auch wenn da oder dort zwei etwas näher nebeneinander geblasen werden.

    Grüße

    Bernhard Fiedler

  6. Sehr geehrter Herr Fiedler,

    vielen Dank für die Informationen – werde die Methode des Zusammenbindens der Drahtpaare heuer gleich ausprobieren.

    Freundliche Grüße,

    M. J.

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