Das Gespür für den richtigen Zeitpunkt

In niederschlagsreichen Zeiten wie diesen ist der Umgang mit dem Boden besonders wichtig. Welche Belastung kann man ihm wann zumuten? Und wann ist er für eine Bearbeitung noch zu feucht oder schon zu trocken?

Möglicherweise gibt es auch schon technische Hilfsmittel, die bei der Beantwortung dieser Fragen helfen, wirklich ausschlaggebend ist aber trotzdem letztlich einzig und allein das Gefühl des (Wein)Bauern.

Er verknüpft sein Wissen über den bisherigen Niederschlagsverlauf des Jahres mit der aktuellen Regenmenge, berücksichtigt die Auswirkungen von Wind und Sonne auf den Verdunstungsgrad und legt das auf die zum Teil extrem unterschiedlich reagierenden Bodenarten um. Selbstverständlich bedenkt er dabei auch, ob und wann der Boden zuletzt bearbeitet wurde, oder ob und wie er begrünt ist.

Auch wenn dieser Prozess sehr vage erscheinen mag, echte Profis müssen die Arbeit im Weingarten nur selten einstellen, weil sie sich verkalkuliert haben. Obwohl das günstige Zeitfenster zum Beispiel bei sehr lehmigen, sogenannten Minutenböden nur sehr klein ist.

Leider scheint aber das Gespür für den Boden (und den richtigen Zeitpunkt) mehr und mehr verloren zu gehen, und mit ihm ein großes Stück bäuerliche Kompetenz.

Immer öfter beobachte ich nämlich, dass Kollegen durch ein Befahren oder eine Bearbeitung des Bodens zum falschen Zeitpunkt mehr Schaden anrichten, als Nutzen stiften. Und auch der Ärger über den geringeren Arbeitskomfort, über die mit nassem Boden verklebten Geräte, über den Reinigungsaufwand und die höhere Dieselrechnung kann sie nicht davon abhalten.

Natürlich ist man manchmal gezwungen, in den Weingarten zu fahren, obwohl der Boden eigentlich zu nass dafür ist. Zum Beispiel, wenn es wochenlang regnet, und eine Bekämpfung der Mehltauarten unumgänglich ist, um die Ernte zu retten. Oder wenn anhaltende Niederschläge und die damit einhergehende Fäulnis den Erntetermin diktieren.

Wenn aber Traktorarbeiten, die flexibel innerhalb von ein oder zwei Wochen ausgeführt werden können unmittelbar nach dem siebenten ergiebigen Regen in zehn Tagen erledigt werden, frage ich mich schon, ob der- oder diejenige wirklich keine andere Arbeit hat.

1 Gedanke zu „Das Gespür für den richtigen Zeitpunkt“

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