Frost im Weingarten (1)

Raureif

Der Frost zählt zu den schlimmsten Naturgewalten, die uns Weinbauern heimsuchen können. Anders als viele Kollegen an der Ostseite des Neusiedlersees (wie hier berichtet), hatten wir im heurigen strengen Winter bisher Glück, doch die Erinnerungen an unser letztes schlimmes Frostjahr sind auch nach 24 Jahren noch präsent.

Aber was passiert eigentlich, wenn Reben erfrieren? Woran kann man solche Schäden erkennen? Und was kann man dagegen tun bzw. wie geht man damit um?

Wasser, Eis…

Die Ursache für das Absterben von Pflanzengewebe nach zu starker Kälteeinwirkung ist schnell erklärt: Wenn Wasser zu Eis gefriert, dehnt es sich aus. Und da der Pflanzensaft überwiegend aus Wasser besteht, dehnt sich auch dieser bei Frost aus.

Der dadurch in den Zellen entstehende Druck bringt diese zum Platzen, da die Zellwand und die Membranen der Zellbestandteile dieser Belastung nicht standhalten können. Die Schäden sind irreversibel und führen je nach Intensität und Verteilung zum Absterben von ganzen Pflanzen oder Teilen von ihnen.

Je wasserhältiger das Gewebe, umso anfälliger ist es naturgemäß für Frostschäden. Deshalb reicht im April oder Mai schon ein leichter (Spät-)Frost, um die frisch austreibenden, besonders wasserhaltigen Triebe zu vernichten, während ein Rebstock in perfekter Winterruhe zwischen -15 und -20°C problemlos überstehen kann.

Gegen Ende der Vegetationsperiode verstärkt die Rebe nämlich nicht nur die Zellwände, sondern sie reduziert auch den Wassergehalt in den Trieben. Diese sogenannte Holzreife macht das Gewebe robuster und verschiebt den Gefrierpunkt nach unten, weil der solcherart erhöhte Anteil an gelösten Stoffen im Zellsaft wie ein Frostschutzmittel wirkt.

Den Impuls für den Abschluß dieses Prozesses geben dem Weinstock die ersten Tage mit Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt. Sinken die Temperaturen wie im Dezember 2010 sehr früh auf kritische Werte, kann es jedoch passieren, dass die Stöcke damit noch nicht fertig und deshalb kälteanfälliger sind.

Wärmeperioden während des Spätwinters bewirken zwar genau das Gegenteil, in dem sie der Pflanze signalisieren, den Wassergehalt für den vermeintlich nahenden Frühling hochzufahren. Das Problem ist aber das gleiche: Eine höhere Frostempfindlichkeit beim nächsten Wetterumschwung.

Ebenfalls sehr gefährlich ist das Zusammentreffen von starkem Raureif (siehe Foto) mit niedrigen Temperaturen. In diesem Fall kommt das frostschutzverdünnende Wasser von außen in die Reben.

…und kalte Luft

Wie kalt es tatsächlich wird, hängt natürlich von der Großwetterlage ab, aber die Luftströmungen aus dem Norden oder Osten schaffen nur die Grundlage für Frostschäden. Ob es einem Rebstock tatsächlich zu kalt wird, hängt darüber hinaus auch von lokalen Wetterfaktoren und von seinem speziellen Standort ab.

Gibt es z.B. eine geschlossene Schneedecke im Weingarten, kühlt die Luft dort stärker aus, weil tagsüber mehr Sonnenlicht reflektiert wird und der Boden nachts kaum Wärme abgibt. Wolken oder Nebel bremsen hingegen das Auskühlen des Bodens und können den Unterschied zwischen Sein und Nichtsein ausmachen.

Weht in den gefährlichen Nächten eine leichte Brise, wird die kälteste und deshalb schwerste Luftschicht in Bodennähe ständig mit etwas wärmerer Luft von weiter oben durchmischt. Ist es hingegen windstill, bleibt sie unten liegen und fließt dabei ähnlich wie Wasser von Hanglagen und Kuppen in Flachlagen und Mulden.

Diese Standorte sind deshalb besonders frostgefährdet, wobei schon kleine Erhebungen oder etwas höhere höhere Reberziehungssysteme existenzentscheidende Temperaturunterschiede bedeuten können.

4 Gedanken zu „Frost im Weingarten (1)“

  1. sehr guter Artikrl mal wieder, Bernhard, habe auch in den letzten Tagen über den Zusammenhang unserer hiesigen Winzerweiskeit: taille tôt taille tard, rien ne vaut la taille en mars (schnide früh, schneide spät – nichts geht über den Rebschnitt im März) und Frost nachgedacht. Freuemich schon auf den zweiten Teil:-)!

Schreibe einen Kommentar

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.