Ein halbes Jahrzehnt

Foto: steve.haider.com

Heute vor fünf Jahren ging mein Blog nach einer Testphase unter Ausschluß der Öffentlichkeit mit diesem Beitrag online. Grund genug, wieder einmal ein wenig über die Bloggerei nachzudenken.

Ein halbes Jahrzehnt ist im schnelllebigen Web 2.o und im Zeitalter von Social Media ja eigentlich eine ganze Ewigkeit. Und obwohl ich nicht einer der allerersten Weinblogger war, fühle ich mich in der Szene manchmal doch ein wenig wie ein Dinosaurier. Schließlich hat meine Internet-Schreiberei ja schon Jahre vorher in verschiedenen Weinforen begonnen.

Weil viele meiner Beiträge dort aber weniger Diskussion als Dokumentation waren, erschien es mir irgendwann sinnvoller, sie selbst strukturieren, verwalten und unter Kontrolle behalten zu können.

Aus dieser Idee entstand 2006 mit der technischen Hilfe meines Bruders mein Blog, und deshalb gibt es hier neben klassischen Tagebucheinträgen auch mehr oder weniger lexikalische Beiträge und Rubriken wie diese beiden.

Seither hat sich viel getan in der Online-Weinszene. So haben zum Beispiel die deutschsprachigen Weinforen, die für viele wie auch für mich den Einstieg in die Weinwelt im Internet dargestellt haben stark an Bedeutung verloren.

Das liegt freilich nicht nur am Trend zum Bloggen (und, etwas später, zu anderen Online-Aktivitäten), sondern auch an technischer Rückständigkeit, schwierigen Betreibern und personeller wie thematischer Verengung der Diskussionen. Und selbst dort, wo man versucht, diese Dinge zu vermeiden ist man weit von der Dynamik von früher entfernt.

Eine Zeit lang sah es so aus, als ob die Blogs der neue Treffpunkt der internetaffinen Weinfreaks werden würden. Die Weinblogs schossen zwar nicht gerade wie die Schwammerl aus dem Boden, aber es gab doch immer wieder interessante Neuzugänge in der deutschsprachigen Blogosphäre.

Weil aber im Internet fast jedes Jahr eine neue Sau durch dorf getrieben wird (werden muß?), wurde die Bloggerei bald „micro“ und der dafür geschaffene Onlinedienst Twitter zog die Aufmerksamkeit auch der Weinwebsurfer auf sich.

Ersetzen können die 160 (?) Zeichen pro Nachricht fundierte Blogartikel natürlich nicht, aber viele Blogger und ihre Leser kommunzier(t)en über Twitter, anstatt wie früher Blog-Kommentare und Links auf andere Blogs zu verfassen.

Mittlerweile ist der Hype um Twitter auch schon wieder im abklingen, und heute ist es wohl eher Facebook, das die Aufmerksamkeit der Online-Weinfreaks auf sich zieht.

Wie schon mit Twitter kann ich aber auch mit dieser Community nicht wirklich etwas anfangen. Darüber hinaus verbringe ich ohnehin schon zu viel Zeit online, um noch weitere Internetaktivitäten zu starten, und habe außerdem mit dem Blog das für mich richtige Medium gefunden.

Trotzdem verlief mein fünftes Blog-Jahr deutlich ruhiger, als die vorangegangenen. Die Abstände zwischen den Beiträgen sind größer geworden, die Zahl der tiefschürfenden Artikel geringer, und die tagebuchartigen Einträge überwiegen.

Für einen Preis wie 2010 wird es heuer also wohl nicht reichen, aber wie ich hier schon 2008 schrieb, blogge auch heute noch zum Spaß und werde mir den auch im sechsten Jahr nicht mit selbstauferlegtem Druck verderben.

5 Gedanken zu „Ein halbes Jahrzehnt“

  1. Hallo Bernhard,

    auch von mir herzlichen Glückwunsch und hoffentlich machst du mit voller Energie weiter. Besonders in deinen Grundlagenartikeln finden sich viele wertvolle Informationen, an die man als interessierter Laie sonst kaum herankommt.
    Das mit dem Bedeutungsverlust der Weinforen kann ich aber – zumindest für dasweinforum.de – nicht nachvollziehen. Die Anzahl der Seitenabrufe (Leser) wie auch der Beiträge (Schreiber) sprechen jedenfalls eine ganz andere Sprache. Aber wie auch immer …
    Was Blogs und Foren jedenfalls den derzeit so angesagten „social media“ weit voraus haben, ist die Beständigkeit. Also dass man interessante Themen/Diskussionen auch noch Jahre später nachlesen kann, während sie in den social media oft schon nach ein paar Tagen nicht mehr auffindbar sind.

    Grüße,
    Gerald

  2. Danke an alle!

    @Gerald: Ich bin weit davon entfernt dasweinforum.de, „wo man versucht, das alles zu vermeiden“ 😉 schlecht- oder kleinreden zu wollen. Fairerweise muß man aber sagen, dass die Dynamik (d.h. die Anzahl der aktiven Threads und Schreiber und die Postingfrequenz) z.B. bei taw rund um 2004, 2005 doch eine ganz andere war.

  3. Hallo Bernhard,

    habe gerade die folgenden Zahlen herausgekramt …
    taw: 134000 Beiträge in 7 Jahren (bis vor Gründung von dasweinforum.de)
    dasweinforum.de: 22500 Beiträge in 9 Monaten
    Das ist 50% mehr als taw im Mittel (die Einzeldaten für 2004 und 2005 habe ich leider nicht zur Verfügung).
    Das sind aber natürlich nur Zahlenspielereien, so wie die diversen Rankings der Weinblogs, wo je nach Bewertungskriterium ganz unterschiedliche Ergebnisse resultieren.
    Sicher haben Foren wie Blogs durch die Konkurrenz der social media verloren. Auslaufmodelle sind aber beide nicht, da sie – anders als die social media – sowohl eine dauerhafte Speicherung der Beiträge als auch eine (gewisse) Ordnung/Systematik möglich machen. Die social media haben wiederum ihre Stärke, wenn es um aktuelle, kurzlebige Diskussionen geht (böse Zungen würden es „Chat“ nennen). Ich glaube, dass es für alle diese Formen einen „Markt“ gibt, solange sie zuverlässig – in jeder Hinsicht – betrieben werden.

    Grüße,
    Gerald

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