Rebschnitt (3)

In meinem zweiten Blog-Winter widme ich mich auch dem Rebschnitt. Unterhalb des ersten Beitrages entsteht nach und nach ein Überblick über die gesamte Serie in Form von Querverweisen zu den einzelnen Teilen.

Erziehung und Schnitt

Obwohl es sich um völlig verschiedene Dinge handelt, werden die Begriffe Reberziehung und Schnitt gelegentlich wie Synonyme verwendet.

Das Erziehungssystem eines Weingartens legt fest, wie der gesamte Rebstock aussieht. Dabei geht es um folgende Fragen:

Wachsen die Triebe von unten hinauf, oder hängen sie von oben hinunter? Sind die Stöcke sehr niedrig und hängen die Trauben dementsprechend nahe am Boden, oder reifen sie in knapp zwei Metern Höhe? Sind die Reben weit voneinander entfernt, oder stehen sie nahe beieinander? Gibt es Pfähle und/oder Drähte, an denen die grünen Triebe von selbst Halt finden oder an denen sie befestigt werden? Und wenn ja, werden die Triebe sehr exakt oder relativ „extensiv“ formiert?

Je nach Antwort lassen sich die Erziehungssysteme in niedrige, mittelhohe und hohe einteilen. In solche, die weniger Arbeitsaufwand bedeuten, dafür aber oft auch nur niedrige oder mittlere Traubenqualität. Und solche, die sehr viel Handarbeit erfordern, dafür aber oft auch besonders hochwertige Trauben erbringen.

Man kann die Systeme auch nach deren Eignung für heiße, trockene und kühlere, feuchte Gebiete sortieren. Oder nach der Stockdichte pro Hektar. Oder der Eignung für bestimmte (Steil)Lagen oder Sorten.

In diesem Fall handelt es sich zum Beispiel um eine mittelhohe Drahtrahmenerziehung mit einer Pflanzdichte von etwa 4000 bis 5000 Stock pro Hektar und hoher Laubwand.

Zweigelt Goldberg 2006

Der 80 Zentimeter hohe Rebstamm läßt die Trauben noch ein wenig von der Abstrahlungswärme des Bodens profitieren, hält aber das in Bodennähe größere Risiko für Fäulnis und Mehltauerkrankungen in Grenzen.

Die insgesamt sieben Drähte sichern einer großen Anzahl von Blättern eine optimale Position zur Sonne, erfordert aber viel (Hand)Arbeit, um die Triebe im Frühsommer entsprechend zu positionieren und im Winter beim Schnitt wieder zu entfernen.

Die hohe Laubwand wirft bei tief stehender Herbstsonne einen langen Schatten. Damit alle Reihen vom Licht profitieren können, müssen sie zumindest 2,25 bis 2,5 m voneinander entfernt stehen. Diese Breite ermöglicht auch eine gute maschinelle Bearbeitung und die so erzielbare Pflanzdichte ist auch für hochqualitative Trauben ausreichend.

Diese Art der Erziehung ist in Österreich gerade dabei, nach und nach die (spätestens) seit den 1970er-Jahren dominierende Hochkultur abzulösen. Dieses von Lenz Moser III. propagierte System nimmt für das Hauptziel der Arbeitsersparnis (kaum Laubarbeiten, wenige Stöcke pro Hektar) qualitative Nachteile in Kauf (hohe Einzelstockbelastung, geringere und schlechter besonnte Blattfläche, tendenziell verzögerte Reife durch großen Abstand der Trauben vom Boden).

Und der Schnitt?

Während das Erziehungssystem zu Beginn eines Weingartenlebens durch die Pflanzweite, die Pfähle und Drähte festgelegt (und nur in ganz seltenen Fällen später so gut es geht durch außerordentliche Maßnahmen verändert) wird, erfolgt der Rebschnitt jedes Jahr aufs neue.

Beim Schneiden legt der Winzer fest, wie innerhalb der Bedingungen, die das Erziehungssystem vorgibt das Fruchtholz für das neue Weinjahr angeordnet werden soll.

Dabei kommt es darauf an, ob es eine oder zwei Fruchtruten gibt. Ob diese vergleichsweise lang ist/sind (dann spricht man von einem „Bogen“), oder relativ kurz (und „Strecker“ genannt wird). Oder ob die Augen (Knospen) für das kommende Jahr auf vielen kurzen „Zapfen“ sitzen. Außerdem macht es einen Unterschied ob Bögen oder Strecker nach dem Schnitt von Hand formiert werden und wenn ja, ob das bogenförmig oder doch eher flach passiert.

Die meisten Erziehungssysteme können auf verschiedene Arten geschnitten werden. Die zwei mit Abstand wichtigsten sind der sogenannte Bogenschnitt (auch Guyot genannt) und der Kordonschnitt.

Mehr dazu gibt es demnächst in Teil vier und fünf zu lesen.

2 Gedanken zu „Rebschnitt (3)“

  1. Ist im deutschsprachigen Raum eigentlich die Lyra-Erziehung (conduite en lyre) bekannt? Während meiner Ausbildung an der Weinbauschule vor ca. 25 Jahren wurde sie hier gerade von Alain Carbonneau propagiert.

  2. Hallo Iris!

    Die Lyra-Erziehung beschert dem Rebstock zwei gut besonnte Laubwände mit großer Blattfläche und gilt deshalb als reifeverfrühend und qualitätsorientiert. Dem entgegen steht allerdings ein enormer (Kosten)Aufwand bei der Errichtung und der jährlichen Bewirtschaftung.

    In Österreich beschäftigt sich nur ein (relativ großes und auch prominentes) Weingut ernsthaft damit, aber soweit ich weiß, arbeitet man selbst bei Bründlmayer auch mit anderen Erziehungsmaßnahmen und spekuliert damit, dass die sich ändernden Voraussetzungen (der Klimawandel läßt grüßen) die Lyra möglicherweise obsolet machen werden.

    Eine Reifeverfrühung und/oder Zuckergehaltssteigerung ist heute nämlich nicht (mehr) immer erwünscht. Und mehr Blattfläche bedeutet immer auch einen höheren Wasserverbrauch der Rebe mit entsprechenden Problemen in Trockenjahren.

    Daneben hat die Lyra meiner Meinung auch noch andere Nachteile wie z.B. die vergleichsweise niedrige mögliche Bepflanzungsdichte und die Nichteignung für zahlreiche Mechanisierungen: mechanischer Vorschnitt, maschnielle Entlaubung und Lese, Tunnelspritzgeräte im Pflanzenschutz, etc.

    Grüße

    Bernhard

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