Eine sehr erfreuliche Überraschung

Während des feucht-kühlen Wetters der letzten Wochen war kaum ein Winzer besonders euphorisch. Die Trauben haben den Regen zwar weitgehend unbeschadet überstanden, aber wie sehr die Kälte die Reife verzögern würde, war schwer einzuschätzen.

Vergleiche mit anderen Jahrgängen sind nur zu bestimmten Terminen seriös zu treffen und das Auf und Ab des Jahres 2006 macht solche Einschätzungen besonders schwer. Die Blüte im Juni war nach dem kalten Mai etwas verspätet, der Beginn des Umfärbens der Rotweinsorten war nach dem außergewöhnlichen Juli allerdings schon wieder etwas früher als in Normaljahren.

Nachdem ich in den letzten Wochen wenig in den Weingärten war, war ich umso neugieriger, als ich gestern einige Lagen ausführlich begutachtet habe. Nicht nur, daß die Trauben noch gesünder sind, als erhofft, sie wirken sowohl optisch als auch geschmacklich relativ reif oder zumindest auf einem guten Weg dorthin.

Heute gab es kein Halten mehr. Der (das?) Refraktometer wurde ausgepackt, um die ersten Zuckermessungen durchzuführen. Dabei wird ein Safttropfen auf die Vorderseite des fernrohrähnlichen Gerätes aufgebracht, der beim Blick gegen die Sonne je nach Zuckergehalt die Lichtstrahlen unterschiedlich ablenkt. Im Inneren des Refraktometers kann man auf einer Skala den Zuckergehalt ablesen, in Grad Klosterneuburger Mostwaage oder in Grad Oechsle (in Deutschland gebräuchlich, 5 °Oe entsprechen etwa 1 °KMW).

Für seriöse Messungen entnimmt man 200 Beeren aus einem Weingarten, bunt gemischt von Trauben auf der Sonnen- und solchen auf der Schattenseite, von Stöcken mit mehr und solchen mit weniger Ertrag sowie vom Hang und vom Hangfuß. Meine heutigen Blitzmessungen beruhen zwar nur auf etwa 50 Beeren pro Parzelle und auch der noch uneinheitliche Reifezustand der Trauben beeinträchtigt die Meßgenauigkeit. Aber selbst, wenn ich um ein Grad KMW zu viel gemessen hätte (was sehr viel und eher unwahrscheinlich ist), wären meine Werte mehr als erfreulich.

Überraschend waren sie für uns allemal:

  • Blauer Zweigelt, Riede Wieser: 16,5 – 17 °KMW
    (sehr gute Lage, Traubenbehang ausgedünnt, ca. 8 Jahre alt)
  • Pinot blanc, Riede Wieser: 16,5 – 17 °KMW
    (sehr gute Lage, Traubenbehang ausgedünnt, ca. 28 Jahre alt)
  • Pinot blanc, Riede Haderwald: 14,5 °KMW
    (kühlere, spätere Lage, höherer Ertrag, ca. 9 Jahre alt)
  • Muskat Ottonel, Riede Satzwiesörter: 15 °KMW
    (mittelfrühe Lage in der Ebene, höherer Ertrag, ca. 30 Jahre alt)
  • Grüner Veltliner, Riede Birnheide: 13,5 °KMW
    (kühlere, spätere Lage, hoher Ertrag, ca. 5 Jahre alt)

Dem Laien sagen diese Zahlen wahrscheinlich wenig. Zur Erklärung bedarf es daher folgender Angaben: Bei 15 °KMW beginnt nach dem Weingesetz der Bereich des Qualitätsweines und ab etwa 16°KMW lassen sich in unseren Breiten tatsächlich bereits leichte (11%vol Alkohol), erfrischende Weißweine keltern. In guten Jahrgängen ernten wir Zweigelt und Pinot blanc im Bereich zwischen 18 und 20 °KMW, Muskat zwischen 16,5 und knapp 18 °KMW und den Veltliner mit 16 bis 17 °KMW. Bedenkt man, daß eine Septemberwoche mit trockenem, warmem (nicht heißem!) Wetter eine Zuckerzunahme von 1 bis 2 °KMW bedeuten kann (je nach Lage, Ausgangswert und vor allem Traubenbehang), ist heuer trotz des schlechten Augustwetters qualitativ noch alles möglich.

Natürlich ist der Zuckergehalt der Trauben nicht der einzige Faktor für die künftige Weinqualität. Daher stützen wir uns bei der Bestimmung des Erntezeitpunktes nicht nur auf die Zuckermessung sondern auch auf die Messung des Säuregehaltes, den pH-Wert (eine andere Meßmethode für die Säure) und natürlich den Geschmack und Gesundheitszustand der Trauben. Ab sofort beobachten wir diese Parameter zumindest wöchentlich, so wie es auch die Weinbauschule Klosterneuburg hier und das Bundesamt für Weinbau in Eisenstadt hier (unter Reifefortschritt 2006) in verschiedenen Weingärten in allen Weinbaugebieten tun.

Da der Reifeverlauf ganz wesentlich von der Sorgfalt der Weingartenbearbeitung und dem Ertragsniveau abhängt, hinken die Werte der „offiziellen“ Reifeanalysen Jahr für Jahr mehr oder weniger deutlich hinter den Beobachtungen der qualitätsorientierten Winzer hinterher. Auch ich habe in einer benachbarten Zweigeltparzelle mit hohem Ertrag und schlechter Laubarbeit weit niedrigere Zuckergehalte als in unserem Weingarten gemessen. Da dort noch nichteinmal alle Beeren vollständig durchgefärbt sind, schwankten meine Werte zwischen 10 und 14 °KMW.

Für unsere Weingärten sind wir nach den heutigen Stichproben auf jeden Fall guter Dinge. Wir rechnen mit einem „normalen“ Erntebeginn rund um den 20. September. Hoffentlich stabilisert sich das Wetter und beschert uns Sonnenschein, Wind und Trockenheit bis zum 20. Oktober (oder länger 😉 ).

5 Gedanken zu „Eine sehr erfreuliche Überraschung“

  1. Ganz daneben dürften meine Messungen nicht sein. Ermutigt durch meine Werte hat mein Vater am Abend des selben Tages eine Beerenprobe von einem sehr jungen Zweigelt-Weingarten in einer etwas kühleren Lage gemessen.

    Mit 16,5 bis 17 °KMW kam er auf einen Wert, der meinen Zweigelt-Meßwert zumindest in Relation zur Lage, zum Ertrag und zum Alter des Weingartens noch übertrifft.

  2. Bei uns sieht es ähnlich aus. Vollreife Rieslingtrauben werden wir wohl auch dieses Jahr ernten können. Die Mostgewichte liegen zur Zeit nur geringfügig unter das Niveau vom 2005. Eine naßer August (>150 liter pro m²!!!) haben wir gut überstanden.

    „Auch ich habe in einer benachbarten Zweigeltparzelle mit hohem Ertrag und schlechter Laubarbeit weit niedrigere Zuckergehalte als in unserem Weingarten gemessen“.

    Ich glaube 2006 wird ein Jahr wo sorgfältiges arbeiten (u.a. ausbrechen, ausdünnen, entlauben) sich voll auszahlt…

    Viele Grüße

    Lars
    Villa Riesling
    Mittelrhein

  3. Schlussfolgerung:

    „ist heuer trotz des schlechten Augustwetters qualitativ noch alles möglich“.

    Genau – noch ist alles drin 🙂

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