Agrarbürokratie

Heute habe ich unseren Mehrfachantrag abgegeben, mit dem wir seit 1995 jährlich die ÖPUL-Förderung für die KIP, d.h. den kontrolliert naturnahen Weinbau beantragen. Und wie es sich für eine hochentwickelte Bürokratie Verwaltungsstruktur gehört, hat dabei alles seinen (nicht immer verständlichen) Namen und seine (oft nicht nachvollziehbare) Ordnung.

Jedes Grundstück und jede (Förder)Maßnahme wird von der für die Abwicklung zuständigen Agrarmarkt Austria fein säuberlich in einen vielseitigen Antrag vorgedruckt, der jedem Bauern in Österreich per Post zugesandt wird.

Dabei unterlaufen der AMA immer wieder Fehler, weshalb es ratsam ist, all die unzähligen Grundstücks- und Gemeindenummern, Eigentumsverhältnisse, Flächen, Nutzungsarten und Fördercodes zu überprüfen, auch wenn es (wie im Weinbau häufig) keinerlei Änderungen zum Vorjahr gibt.

Auf den verschiedenen Papieren wimmelt es nur so von WI´s, von AN´s, Rot-, Blau- und Grünflächen, von WF´s und EW1. Und die GLP ist natürlich ebenso zu beachten wie GLÖZ, INVEKOS, GIS und jede Menge anderer Tücken im Detail.

Eigentlich bin ich in Sachen Agrarbürokratie schon ein alter Hase. Seit der Basiserhebung aller landwirtschaftlicher Flächen 1995 nach dem EU-Beitritt habe ich bis vor zwei Jahren die Förderanträge von sechs oder sieben Betrieben abgewickelt, weil mich einige Bekannte um Hilfe gebeten haben.

Trotzdem ist es mir bisher noch nie gelungen, unseren eigenen Antrag so auszufüllen, dass der Angestellte der Landwirtschaftskammer, die als Abgabestelle fungiert, nichts daran auszusetzen hat. Kaum meint man, das System endlich durchschaut zu haben, taucht wieder eine bislang unbekannte oder neu eingeführte Regel auf. So auch heute:

Durch Zufall wurde der Mann von der Landwirtschaftskammer nämlich darauf aufmerksam, dass wir mehr als 0,5 ha Weingartenfläche und zugleich auch mehr als 3 ha Grünland bewirtschaften.

Dabei handelt es sich vor allem um ehemalige Weingärten in Seenähe, die wir in den letzten Jahren gerodet haben und nicht mehr auspflanzen, weil wir uns auf die hochwertigeren Hanglagen konzentrieren wollen. Diese Flächen werden von uns nicht genützt, aber jährlich gemulcht, um sie als Feuchtwiesen (und Nahrungsquelle für Storch und Co.) zu bewahren und ein Verschilfen zu verhindern.

Wie ich heute lernen durfte, fällt man als Weinbaubetrieb über 0,5 ha Weingartenfläche aus einer Sonderregel für Grünland, wenn man mehr als 3 ha Wiesen bewirtschaftet. Unter 3 ha darf man die gesamte Grünlandfläche mulchen, darüber muß ein Teil der Wiesen tatsächlich genützt, d.h. entweder beweidet oder die Grünmasse gemäht und abtransportiert werden. Warum das so ist, konnte mir leider niemand wirklich sagen.

Da wir selbst keine Tiere besitzen, der Aufwand für das Wegbringen des Grases wirtschaftlich völlig unsinnig und das Mähen ökologisch auch nicht zwingend besser ist, als das Mulchen stand ich also völlig unverhofft vor einem Problem.

Auch der Kammerbedienstete war mit seinem Latein am Ende und zog telefonisch seinen Vorgesetzten zu Rate, um den Sachverhalt ausführlich mit ihm zu diskutieren. Dabei kam mir gottseidank die rettende Idee.

Zwei der Grünland-Parzellen sind eigentlich Teilstücke unseres Anteils am Neusiedlersee und zwar als Streuwiesen eingetragen, in Wirklichkeit aber Teil des Schilfgürtels. Weil es 1995 fälschlicherweise hieß, es gäbe auch dafür Fördermaßnahmen, haben wir sie damals in den Antrag aufgenommen und seither als Karteileichen von Jahr zu Jahr mitgeschleppt.

Was lag also näher, als diese beiden Parzellen aus dem Antrag zu streichen und damit die Grünlandfläche unter 3 ha zu drücken um wieder in die Ausnahmeregelung zu fallen?

Nachdem der Kammerbedienstete erneut telefonischen Rat eingeholt hatte, um festzustellen, ob eine Löschung überhaupt zulässig ist, strichen wir die beiden Grundstücke aus allen Formularen und ich war der Meinung, damit alles erledigt zu haben. Aber weit gefehlt!

Mit der Streichung waren die beiden Parzellen zwar aus unserem Antrag verschwunden, nicht jedoch aus unserer digitalen Katastermappe. Dieses Hilfsmittel dient dazu, die landwirtschaftlichen Grundstücke nicht nur nach den Angaben des Grundbuches und des Katasterplanes zu verwalten, sondern nach dem Ist-Zustand in freier Natur.

Dafür werden die Grundstückspläne mit speziell bearbeiteten Luftbildern abgeglichen, die jeden Weg, jede Böschung und jegliche Nutzung von fremdem Grund und Boden entlang der Grundstücksgrenze aufzeigen. So wird sichergestellt, dass nur exakt jene Flächen für Fördermaßnahmen beantragt werden, die auch tatsächlich bearbeitet bzw. bepflanzt werden.

Also durfte ich nach Abschluß unseres Mehrfachantrages noch gemeinsam mit einer Sekretärin zwei der Grundstücke im Computer zu löschen, die wir erst vor drei Jahren in mehrstündiger Arbeit gemeinsam bis auf den letzten Millimeter online vermessen und markiert haben.

Es versteht sich von selbst, dass diese Daten nicht vom Weinbaukataster übernommen werden, der die Auspflanzrechte verwaltet. Den erstellt ja schließlich die Bezirkshauptmannschaft und nicht die AMA oder die Landwirtschaftskammer…

1 Gedanke zu „Agrarbürokratie“

  1. Ach Berbhard, danke für die Aufheiterung an diesem feucht-kühlen Morgen!

    Ich konnte Dir so gut folgen, oh, wie kenne ich dieses Formular (bei uns heißt es PAC)und wie habe ich es hassen gelernt. Den Onlinekataster nach den Luftbildern haben wir auch – alle Mauern, nur zu Fuss oder mit einer kleinen Raupenschubkarre begehbaren Wege durch unseren Hang, die Fitzelchen zwischen zwei Mauern, auf denen noch ein alter Olivenbaum steht, das Dreieck Wald (vermutlich um die 100 m2), das wir noch nicht gerodet haben, weil es Reserve für unser Feuerholz sein soll, die nicht mit Wein bepflanzten Steilhangstücke, die wir mit mähen, um die Terassenmauern als Einheit im Blick zu halten, der Streifen, auf dem der Elektrozaun steht – ich habe zwei Tage versucht, das Alles milimetergenau aus der Gesamtfläche herauszurechnen, dabei die winzigen ilots, die Inseln, die dadurch entstehen, genau zu umgrenzen – für deren sehr diversifizierten Inhalt es dann online keine passende Kathegorie gab… und die Abkürzungswut ist in Frankreich meiner Meinung nach noch weiter verbreitet als anderswo…

    Schließlich habe ich den Antrag dann vor zwei Jahren nicht mehr eingereicht und auf die danach eintretende Mahnung, dass ich damit das Anrecht auf die jährlichen rund 350 € prime zone de montagne sèche défavorisée (Prämie für den Anbau unter erschwerten Bedingungen in der trockenen Bergzone) nicht mehr bekäme, freundlich geantwortet, dieser Verlust wäre mir meine Freiheit wert, statt unsinnige Formulare auszufüllen, die Zeit im Weinberg mit kostenloser Landschaftspflege zu verbringen…

    Natürlich gab es noch einige Nachfragen, aber für den Moment habe ich Ruhe (bis zur bald fälligen Steuererklärung und dem Papierkrieg, um 300 Steuerkapseln, die mir noch fehlen, aus 60 km Entfernung zu holen und dabei u.a. die Autonummer des Transportfarzeuges und die vermutliche Dauer der Rückfahrt anzugeben… Wie machen es die großen Güter, wie jetzt aus Italien zu lesen, um unter solchen Bedingungen irgendwas am Staat und der Kontrollbürokratie vorbei zu machen?

    Wenn ich ein paar zusätzliche Rebstöcke pflanzen wollte, müsste ich einen bepflanzten Weinberg irgendwo kaufen, ihn ausreißen und dann einen (vermutlich endlosen) Antrag auf Übertragung der Pflanzrechte auf mein Gelände stellen. Pflanzrechte darf man auf dem Markt nur kaufen, wenn man schon 6 Ha Wein bewirtschaftet… die Liste kann endlos weitergeführt werden!

    Auch wenn’s uns beiden nicht hilft, tut es doch gut zu lesen, dass die Bürokratie in Europa grenzenlos ist – schade, dass es dazu noch keine Aufwandskontrollen mit festgelegten Grenzwerten für die ArFD pro Jahr und Winzer gibt:-)

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