Pedologische Sprachverwirrung (1)

In den letzten Tagen habe ich mich etwas intensiver mit den Böden unserer Weingärten beschäftigt, da wir im Rahmen des kontrollierten integrierten Weinbaues verpflichtet sind, regelmäßig Bodenproben zu ziehen und diese analysieren zu lassen.

Diese Arbeit möchte ich zum Anlaß nehmen, die bodenkundliche Sprachverwirrung, die bei den allermeisten Weinfreaks, Weinjournalisten und auch Weinbauern herrscht, aufzuzeigen.

Der Boden als populärwissenschaftliche Marketingbotschaft

Wer heutzutage nicht mit Urgesteins-, Schiefer oder Lössböden aufwarten kann, und wer nicht zumindest jedem zweiten Wein eine ausgeprägte (und natürlich vom Boden stammende) Mineralität attestiert, ist hoffnungslos out.

Kein Wunder, denn während der auch schon längst bis zur Unkenntlichkeit abgedroschene Begriff „Terroir“ ziemlich vage daherkommt, scheint der Boden (und sein Einfluß auf den Wein) für die allermeisten Weinfreaks auf den ersten Blick sehr klar definiert.

Schließlich leisten Weinmedien, Winzer und Werbung seit Jahr und Tag Aufklärungsarbeit und berichten von besonders eisenhältigen Böden, die den Weinen Bodenaromen verleihen, von Urgestein, dass würzig-elegante Weine hervorbringt, von Kalkböden und auch deren Gegenteil, die interessanterweise beide die Mineralität der Weine fördern.

Aber auch wenn sie noch so fundiert erscheinen, einer seriösen Betrachtung halten diese Formulierungen und Wortkreationen (und die allermeisten anderen, die in der Weinszene noch herumgeistern) nicht stand. Weder aus geologischer noch aus pedologischer Sicht gibt es Urgesteins-, Kalk- oder Schieferböden.

Und für die Böden, die es tatsächlich gibt, sind (zumindest in Österreich) die Zusammenhänge zwischen Boden und Wein kaum erforscht und im besten (seltenen) Fall wenn überhaupt, dann nur empirisch-sensorisch definiert. Mit all den Problemen der Sensorik und vor allem der Weinsprache.

Ein hochkomplexes System

Die Bodenkunde ist eine enorm komplexe Wissenschaft, die Chemie mit Physik, Biologie mit (Erd)Geschichte und Geografie mit landwirtschaftlicher Kulturtechnik verbindet. Damit trägt sie dem „System“ Boden Rechnung, das von vielerlei Einflußfaktoren geprägt ist.

Die Benennung von Böden nach einem einzelnen Detail und die Ableitung diverser Weineigenschaften von dieser Kleinigkeit ist zwar populär und in Zeiten wie diesen eine marketingtechnische Notwendigkeit, wird der Materie aber in keinster Weise gerecht.

Es gibt vielerlei Eigenschaften, in denen sich Böden unterscheiden, und erst ihr Zusammenwirken macht den Einfluß auf den Wein aus. Eine gute Bodencharakterisierung ist daher zumindest ebenso umfangreich, wie eine gute Weinbeschreibung.

Und erfordert eine mehrteilige Blog-Serie, um alle Aspekte beleuchten zu können…

Teil 2: Das Ausgangsmaterial
Teil 3: Entstehungsgeschichte und Bodenschichtung
Teil 4: Die Körnchengröße
Teil 5: Humusgehalt und Bodengefüge

5 Gedanken zu „Pedologische Sprachverwirrung (1)“

  1. das oben war nur das Zitat, das meine volle Zustimmung findet und mich neugierig auf die Fortsetzung macht. Dann folgten noch ein paar Ausführungen zum Thema, um Deinen Standpunkt zu unterstreichen – sind leider nicht mit durchgekommen…

    Tant Pis – warte ich eben auf Deine Beleuchtung der Aspekte, auf die ich mich, bei Deiner üblichen Gründlichkeit und Kompetenz, schon freue:-)

  2. hallo bernhard,

    wie du mir aus der seele sprichst…
    aber in der hedeonistisch-marktschreierisch-verlogenen weinwelt (auch ich gehöre ihr an, deswegen darf ich schimpfen) hat eben die rationelle, oft ernüchternde sichtweise keinen (ökonomisch) zu rechtfertigen platz.

    wie oft höre ich bei führungen „dieser boden ist sehr reich an mineralien, deswegen werden die weine darauf so mineralisch…“) und solche und andere vereinfachungen und halbwahrheiten.
    habe besucher schon kurzzeitig geschockt, als ich ihnen spasshalber, aber mit ernster miene sagte, dass ich letztlich wieder viel mehr mineraldünger verwende, weil damit die weine mineralischer werden. ist doch eine logische überlegung, oder?

    mlg
    armin

  3. Danke für die Blumen, Iris!

    Danke für den Schmäh mit dem Mineraldünger und den mineralischen Weinen, Armin.

    Wenn du nichts dagegen hast, werde ich ihn bei passender Gelegenheit einmal verwenden 😉

    Bernhard

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