Ihre Sorgen möchten wir haben…

…lautet der aktuelle Slogan einer Wiener Versicherung, der mir zu den Themen einfällt, die derzeit (wieder) in den Internet-Weinforen breitgetreten werden.

Bei den Weinfreaks ist die bereits überstanden geglaubte Diskussion über Spontan- und Reinzuchthefe wieder losgebrochen, jenes Lieblingsthema der (vor allem deutschen?) Weinliebhaber, über das im Lauf der Jahre in allen Foren mittlerweile so ausgiebig diskutiert wurde, daß es eigentlich nichts mehr dazu zu sagen gibt. Könnte man zumindest meinen, denn die Fronten sind seit langem abgesteckt und eine echte Bewegung ist kaum zu erkennen.

Auf der einen Seite stehen die Sponti-Fundamentalisten, die alle unspontanen Weine radikal ablehnen, auch wenn ihnen in Blindverkostungen gelegentlich der eine oder andere davon recht gut mundet. Sie werden unterstützt von den Sponti-Sympathisanten, die zwar zugeben, gelegentlich auch unspontan zu trinken, für die die Spontangärung aber trotzdem eine Qualitäts- und keine Stilfrage ist.

Auf der Gegenseite, zahlenmäßig weit unterlegen, die Fraktion für Reinzucht und Ordnung. Sie hat einen schweren Stand, denn ihr Versuch, die Reinzuchthefe als einzigen Weg zu qualitativ hochwertigem Wein zu propagieren ist bereits im vorhinein zum Scheitern verurteilt. Viele ihrer Geheimwaffen-Weine wären zwar wirksam, können jedoch in der Argumentation nicht eingesetzt werden, weil sie zwar reinzüchtig vergoren aber „spontan“ verkauft werden.

Dazwischen die Mahner zur Vernunft. Sie versuchen, die Frage der Vergärung nicht überzubewerten und Reinzuchthefe und Spontangärung nicht als unüberbrückbaren Gegensatz, sondern als eine von vielen Entscheidungsoptionen auf dem Weg zu hochqualitativem Wein verschiedener Stilausprägung zu sehen. Sie erleiden das typische Schiedsrichter-Schicksal: Wie verfeindet die beiden Teams auch immer sind, der Schiri bekommt nach dem Spiel am meisten ab.

 

Mittlerweile fast genauso beliebt wie die Frage der Hefe ist die Fruchtfliegendiskussion. Nach wochenlangen Debatten bei talk-about-wine dreht sich seit heute auch bei wein-plus fast alles um die Frage, ob eine im Weinglas gestorbene Fruchtfliege den Geschmack des Weines binnen Sekunden dramatisch negativ verändern kann. Auch hier scheinen die Fronten in der Diskussion verhärtet, was aber möglicherweise daran liegt, daß die Auswirkungen von Fruchtfliegen im Weinglas von deren Herkunft abhängt. Mittlerweile sollen sich ja auch schon Hobby-Insektenkundler mit der Frage beschäftigen.

Nun liegt es mir fern, jemandem sein ganz persönliches Geschmacksempfinden abzusprechen. Ich weiß nur zu gut, wie subjektiv Geruchs- und Geschmacksempfindungen sein können und wie unterschiedlich die Wahrnehmungsschwellen der einzelnen Verkostern sind.

Trotzdem verwundert mich die rege Diskussion einigermaßen. Wie mein deutscher Berufskollege Patrick Johner in gewohnt kryptischem Stil hier (2. Beitrag, Auflösung auf der nächsten Seite) bereits angedeutet hat, schwirren zur Erntezeit in den Preßhäusern und Weinkellern Milliarden von Fruchtfliegen herum. Vor allem bei der Rotweinvergärung und in Jahrgängen mit hohen Temperaturen bei der Ernte sind es besonders viele und es gibt wohl keinen Winzer, der noch nie eine verschluckt oder inhaliert hätte.

Aber nicht nur die Fruchtfliegen, auch andere Insekten haben natürlich Kontakt mit den Trauben und dem Wein und lassen gelegentlich auch ihr Leben darin. Insofern müßte eigentlich jeder Wein von Insekten-Aromen beeinträchtigt sein, oder?

Möglicherweise sind aber auch die Winzer durch ihren alltäglichen Kontakt mit den Mücken während der Lese derart abgestumpft, daß Sie für eine ernsthafte Behandlung dieses Themas inkompetent und ungeeignet sind.

1 Gedanke zu „Ihre Sorgen möchten wir haben…“

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