Glück und Können

Seit einigen Tagen ist auch der letzte Blaufränkisch mit dem biologischen Säureabbau fertig. Das habe ich zum Anlaß genommen, um gestern und heute die Weine von der Feinhefe abzuziehen, dabei zu belüften und anschließend zu schwefeln. (Näheres dazu folgt demnächst in den Berichten zur Rotweinherstellung.) Außerdem habe ich den heurigen Cabernet belüftet und den Blaufränkisch Reserve 2005 für die in wenigen Wochen geplante Abfüllung in einen Transporttank umgepumpt.

Insgesamt habe ich dabei knapp 20.000 Liter Wein bewegt, der in 20 Barriques sowie 9 Fässern und Tanks zwischen 800 und 4300 Litern gelagert wurde. Einige Weine wurden aus dem Behälter heraus vom Trub abgezogen und anschließend wieder in den gereinigten Behälter zurückgepumpt. Andere kamen mit oder ohne Zwischenstation von Tanks in Fässer oder von Fässern in Barriques. Etwa 400 Liter Hefetrub warten noch darauf, in den Weingarten ausgebracht zu werden.

Ein derart umfangreiches Unterfangen will gut geplant sein. Schließlich sollen ja möglichst alle Behälter nach dem Entfernen des Trubes wieder voll sein, unvermeidbare Vermischungen sollten so eingeteilt werden, daß sie zwischen gleichwertigen Chargen erfolgen und selbstverständlich soll jeder Wein in dem Behälter landen, der für ihn optimal geeignet ist. Einfachere Qualitäten also im Stahltank, wenn es nicht zu vermeiden ist, bessere Qualitäten im „großen“ Faß und die ganz guten in Barriques.

Theoretisch ist es nur eine simple Rechenaufgabe, in der Praxis lauern aber ziemlich viele Unbekannte: Kaum ein Behälter im Keller ist geeicht. Abweichungen von 50 oder 100 Litern von der Nenngröße sind die Regel. Da es nur alle paar Jahre einmal vorkommt, daß ein Wein den selben Weg zurücklegt, ist es nahezu unmöglich, sich die exakten Relationen zwischen den einzelnen Behältern zu merken.

Die Menge an Trubstoffen, die abgetrennt werden muß, ist im voraus nur sehr grob abschätzbar. Selbst bei der gleichen schonenden Traubenverarbeitung schwanken die Trubanteile zwischen einem und fünf Prozent. Je nachdem, ob es sich um den Seih- oder den Preßwein handelt, wie weich und überreif die Beerenschale bei der Ernte war und ob direkt nach der Pressung schon ein Teil des Trubes abgetrennt wurde. Bei einem 4000-Liter-Tank ergibt das eine Schwankungsbreite von bis zu 160 Litern!

Zudem kommt es an solchen Arbeitstagen immer wieder zu unvorhersehbaren Ereignissen. Mitunter stellt sich z.B. heraus, daß die Behälter nicht (mehr) ganz voll sind. Der Grund dafür kann ein nicht ganz dichter Behälter sein, die Verdunstung, die Temperaturschwankungen (22°C mit Heizung für den Säureabbau, 12°C normale Kellertemperatur) aber auch häufiges Verkosten oder Vergeßlichkeit des Kellermeisters. Oder der Schlauch verrutscht, und es kommt ein Teil des trüben Bodensatzes zum Wein (und muß beim nächsten Umziehen abgetrennt werden) und erhöht die Ausbeute. Oder ein Hahn am Tank war beim Befüllen doch nicht geschlossen…

Natürlich kommt es vor, daß am Ende der letzte Behälter nicht voll wird, und man sich eine verfügbare und möglichst gute Alternative suchen muß. Meistens aber geht der ursprüngliche Plan, der im Verlauf der Arbeit immer wieder modifiziert wird, am Ende auf. Wenn alle Behälter voll sind, und nur eine kleine, „beherrschbare“ Restmenge übrigbleibt zeugt das auch vom Können des Kellermeisters. Kleinere Restmengen werden ohnehin laufend zum Ersetzen des Schwundes benötigt und können daher in kleinen Kunststoffgebinden zwischengelagert werden.

Gelegentlich passiert es aber auch, daß es ganz genau stimmt. Das nach tausenden Litern bewegtem Wein am Ende ein kleiner Krug voll Wein übrigbleibt. Oder im letzten Faß tolerierbare zwei Liter fehlen. Das muß man wohl das Glück des Tüchtigen nennen.

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