Mut zum Schrauber

In den letzten Tagen haben sich zwei Ereignisse zugetragen, die zwar bei weitem nicht weltbewegend aber doch dazu geeignet sind, mich in meiner Zielsetzung bestärken, mittelfristig komplett auf Schraubverschlüsse umzustellen.

Erste vorsichtige eigene Reifeerfahrungen…

Vorgestern verkosteten wir aus unserer Privatvinothek je eine Flasche Pinot blanc 2004 mit Schrauber und Naturkork. Da wir beim 2004er erstmals auch Schraubverschlüsse verwendet haben, bietet dieser Wein für uns die bislang einzige Möglichkeit, um eigene Vergleiche in Sachen Flaschenreife anzustellen.

Nach knapp zwei Jahren in der Flasche war der Unterschied zwischen Schrauber und Naturkork richtiggehend dramatisch. Dramatisch inexistent nämlich. Weder in der „klassischen“ Blindprobe noch im Dreieckstest zu verifizieren.

Nun könnte man natürlich sagen, daß das für den Kork spricht, der trotz Gasdurchlässigkeit auch fruchtbetonte Weißweine nicht rascher altern läßt als der de facto gasdichte Schrauber. Genausogut aber kann man sagen (was ich hiermit tue 😉 ), daß der Schrauber den Weinen auch eine Entwicklungsmöglichkeit bietet und daß bei entsprechender Vinifizierung negative reduktive Entwicklungen wie hier beschrieben auch nach zwei Jahren nicht sein müssen.

Zwei Jahre sind natürlich nicht der entgültige „Beweis“, aber wenn man davon ausgeht, daß die Entwicklung des Schrauber-Weines halbwegs linear weitergeht (und ich sehe keinen Grund, warum sie das nicht tun sollte) und wenn man weiß, daß die meisten unserer Weine innerhalb von zwei bis fünf Jahren getrunken werden, dann ist das zumindest ein starkes Indiz. Der Naturkork-Kunststoff-Vergleich vor einigen Jahren zeigte nach zwei Jahren bereits sehr deutliche Differenzen.

…und die Akzeptanz im LEH

Heute war die Weineinkäuferin einer der großen LEH-Ketten bei uns zu Gast. Da sie persönlich auch ein Schrauber-Fan ist, habe ich sie nach der Akzeptanz des Schraubers im LEH-Alltagsweingeschäft gefragt. Und eigentlich hätte ich mir erwartet, daß der LEH eher vorsichtig an die Sache herangehen wird. Schließlich kaufen vor allem Leute Wein im LEH, die nicht gerade zu den gut informierten und eher schrauber-freundlichen Weinfreaks zählen. Leute, deren Bindung an eine Weinmarke nicht so groß ist, wie die der Direkteinkäufer an „ihren“ Winzer. Die also leichter den Wein oder Winzer wechseln, wenn der auf den ungewohnten und „billig“ wirkenden Schraubverschluß umstellt.

Dem scheint aber nicht so zu sein. Man hat bei Weinmarken, die von Kork (oder Kunststoff) auf Schraubverschluß umgestellt wurden keine nennenswerten Veränderungen der Verkaufszahlen feststellen können. Und die Einkäuferin fordert zwar noch keine Umstellung ihrer Lieferanten auf den Schrauber, aber sie nimmt ihn erfreut zur Kenntnis, wenn er vom Winzer aus erfolgt. Offenbar ist der Otto-Normalweintrinker wesentlich weniger konservativ oder dogmatisch was den Verschluß betrifft, als angenommen.

Wie es scheint, ist der Schrauber nun also dabei, nach den Weinfreaks, auch die Normalweintrinker im Sturm zu erobern. Wenn das so weitergeht, bleiben nur noch einige Widerstandsnester im Bereich der Gastronomie und vor allem im Bereich der klassischen Weinbruderschaften, in denen wohlsituierte ältere Herren noch die wahre Weinkultur zu zelebrieren wissen 😉 .

3 Gedanken zu „Mut zum Schrauber“

  1. Hallo,
    ich denke es wird für einige Weintrinker eine Umgewöhnung sein. Aber gerade wenn angesehene Winzer ihren Wein auf Schraubverschluss umstellen (da gibt es ja schon einige), ist dies auch ein Signal. Der billige Anschein dieses Verschlusses wird sicherlich nach und nach verschwinden. Und die Korkangst und das Sammeln von Kassenbons wird dann auch eine Ende haben.

    In Deutschland gehen derzeit m.E. viele Winzer auch zu etwas teureren Glasverschluss (Im Supermarkt hab ich so etwas aber noch nicht gesehen). Mal sehen welcher Typ das Rennen macht.
    Viele Grüße
    Thomas

  2. Moin Bernhard,

    erst über den Umweg der EU-Diskussion bin ich heute auf diesen Beitrag gestossen. Es ist einer der ersten Berichte, die mir zeigen, daß der Verbraucher gar nicht so unwillig ist, auf den Schrauber umzustellen. Ich muß aber immer noch in unserem Weinkreis zur Kenntnis nehmen, daß auch „aktive“ Weintrinker bislang nur zum kleinen Teil dazu übergehen, den Schrauber zu bevorzugen, da hat der Glasverschluß noch einige Pünktchen mehr. Bei mir persönlich liegt der Schrauber vor der Krone und dem Glasverschluß, alles andere muß ich zwangsläufig kaufen, wenn ich DEN Wein haben will, bei ähnlichen Angeboten ziehe ich den Schrauber stets vor.

    Vielen Dank an alle Winzer, die Alternativverschlüsse anbieten.

    Grüße

    Wolfgang

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