Denkwürdige Jahrgänge: 1992

Der Jahrgang 1992 ist sehr einfach zu beschreiben: Der Sommer war heiß und trocken, sehr sehr trocken. Von Anfang Juli an fiel bis Mitte oder Ende August kein nennenswerter Regen.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir Woche für Woche auf eine Schlechtwetterfront gehofft haben, um dann immer wieder zu erleben, dass sich diese Westfronten in den Alpen abregnen und gar nicht bis ins Burgenland durchdringen.

Nun sind trockene Jahre an sich zwar nichts Ungewöhnliches in der pannonischen Klimazone. Es gab sie vor 1992 ebenso (z.B. 1983), wie danach (z.B. 1994, 2000 und 2003), und manche davon waren sogar noch heißer und/oder trockener.

Trotzdem war 1992 ein besonderes Hitzejahr. Es war nämlich das erste in der „modernen“ Weißweinära, die mehr Wert auf Fruchtigkeit, Säurestruktur und Eleganz und weniger auf Überreife, Üppigkeit und deutlichen Restzuckergehalt legt.

Obwohl sie sich in Sachen Weinstil deutlich umorientiert hatten, definierten die allermeisten Weinbauern damals die Traubenreife weiterhin ausschließlich über den Zuckergehalt der Trauben. In den kühlen oder halbwegs normalen Jahren von 1985 bis 1991 war das kein Problem, weil der Säuregehalt, der für trockene, „moderne“ Weißweine eine große Rolle spielt, in einer vernünftigen Relation zu den Zuckergraden stand.

Im Hitzejahrgang 1992 konnten die Reben aber deutlich weniger Säure in die Trauben einlagern. Das führte dazu, dass viele (wenn nicht sogar die meisten) Weißweine aus Freude über die hohen Zuckergrade zu spät gelesen wurden. Die Säurewerte waren nicht selten zu niedrig, um die Weine noch harmonisch und balanciert schmecken zu lassen.

Manche Kollegen haben schnell aus ihrem damaligen Fehler gelernt, andere haben noch mehr oder weniger viele Wiederholungen bis zur Einsicht gebraucht, und einige wenige können bis heute nicht mit solchen Jahrgängen umgehen.

Da die Rotweine primär vom Tannin und nicht von der Säure strukturiert werden, sind sie von diesem Phänomen nicht wirklich betroffen. Nach einzelnen Pionieren in den 1980ern gewann die burgenländische Rotweinevolution ab etwa 1990 deutlich an Breite und 1992 war eines der ersten Jahre, mit einer nennenswerten Anzahl an hochwertigen (oder in manchen Fällen zumindest damals für hochwertig gehaltenen) Weinen.

Viele Weinbauern konnten aber auch mit ihren Rotweinen nicht wirklich reüssieren. Gab es doch im August 1992 viele Weingärten, die massiv und deutlich sichtbar unter der Trockenheit litten. Vor allem  junge Rebstöcke und/oder solche, die mit zu vielen Trauben belastet waren, zeigten vergilbte Blätter und schlecht entwickelte notreife Trauben.

Die Agrarpolitik reagierte darauf mit einer Notleseaktion, bei der jene Winzer Geld erhielten, die ihre Trauben zur Entlastung der Reben im August von den Stöcken schnitten und in den Boden einarbeiteten. Dabei ging es aber weniger um die Rettung der leidgeplagten Weinbauernschaft vor den Unbillen des Wetters, als um die damit auch verbundene Entlastung des damals recht angespannten Weinmarktes und um die Milderung der Folgen des Strukturwandels im Weinbau.

Unsere Weingärten waren im Sommer 1992 auch aus der Ferne leicht zu erkennen. Im Unterschied zu den meisten anderen war ihr Laub nämlich auch nach Wochen ohne Regen noch auffallend dunkelgrün. Woran das lag (und warum unsere Reben bis heute weniger sensibel auf Trockenperioden reagieren), kann ich nur vermuten. Neben dem Ertragsniveau spielt dabei sicher unsere schonende und humusfördernde Bodenbearbeitung eine große Rolle.

Aber nicht nur deshalb waren wir auch mit den Weißweinen damals sehr zufrieden. Im Gegensatz zu vielen Kollegen hat mein Vater die Ernte auch früh genug angesetzt, um den richtigen Lesetermin nicht zu verpassen. Dabei sind ihm seine Erfahrungen von 1983 zu gute gekommen, als er sich in einem vergleichbaren Jahr schon einmal dazu entschlossen hatte, zwei Wochen vor allen anderen im Ort zu ernten. Und sich im Nachhinein beim Verkosten seiner Weine in seiner Entscheidung bestätigt sah.

Vor allem der Pinot blanc und die beiden Chardonnay-Varianten („normal“ und Barrique) zählten sicherlich zu den besten ihrer Art in unserem Betrieb, und sie würden es vielleicht auch noch heute tun, wenn wir einwandfreie Flaschen auf Lager hätten.

Eine problematische Korklieferung hat aber (gemeinsam mit einer nicht ganz einwandfreien Korkmaschine) dazu geführt, dass die allermeisten Flaschen unserer Weißweine nicht dicht waren. Deshalb mußten wir schon bald nach der Füllung viele Flaschen neu verkorken, was ihrem langfristigen Reifepotential sicher nicht zuträglich war.

In unsere Vinothek haben wir aus diesem Grund ausschließlich original verkorkte Flaschen eingelagert, die sich bis dahin als dicht erwiesen hatten. Wie wir aber heute wissen, waren sie nicht dicht, sondern nur nicht ganz so undicht wie die anderen, und schon nach wenigen Jahren war auch in unserer Vinothek kaum noch eine Flasche mit brauchbarem Füllniveau zu finden.

Die Rotweine kamen zum Glück später in die Flasche und wurden deshalb mit einer anderen Korkcharge (und wahrscheinlich auch einer reparierten Maschine) verschlossen. Da wir vom Zweigelt damals nur einen Rosé gekeltert haben, beschränkte sich unsere Palette bis 1991 auf den Blaufränkisch, von dem es 1990 erstmals auch eine Barrique-Variante gab.

1992 stand die erste Ernte unseres ersten Cabernet-Weingartens an, und ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mich im Internat der Weinbauschule Klosterneuburg darüber geärgert habe, dass sich mein Vater bei der Lese spontan dazu entschlossen hatte, die Cabernet Trauben nicht reinsortig auszubauen.

Aus einer Intuition heraus (und wohl auch aufgrund der kleinen Menge) hatte er sie gemeinsam mit unseren besten Blaufränkisch-Trauben eingemaischt, sodass es von Anfang an nur einen gemischtsortigen Wein (im Unterschied zu einer später verschnittenen Cuvée) gab.

Nach den ersten vielversprechenden Verkostungen war mein Ärger bald vergessen, und wir alle waren sehr stolz auf unsere „Alten Rieden“, wie wir den Wein nach rund einem Jahr in Barriques genannt haben.

Natürlich würden wir heute einiges anders machen als damals. Ganz verkehrt kann unsere Rotweinvinifikation aber schon 1992 nicht gewesen sein, denn sonst würde sich dieser Wein wohl heute, 17 Jahre danach, nicht so präsentieren, wie er das heute Mittag in meinem Glas getan hat.

Dass es sich dabei nicht um eine Ausnahmeflasche gehandelt hat, zeigt dieser Blog-Beitrag vom Mai 2007, in dem es auch nähere Infos über den Wein zu lesen gibt. Als Folge dieses Beitrages ging damals übrigens eine Flasche Alte Rieden 1992 nach Deutschland und wurde auch von unbefangenen Verkostern durchaus positiv beurteilt, wie man hier und auf der Folgeseite nachlesen kann.

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