Weinmoralismus

Gedanken zu diesem Artikel von Captain Cork und einigen Kommentaren

Bereit für die Entsorgung: Geläger von Rot- und Weißwein

Mit der Entwicklung des Weines vom Alltagsgetränk zum Lifestyle-Thema der genussaffinen Mittel- und Oberschicht hat sich auch der Blickwinkel auf den vergorenen Traubensaft deutlich gewandelt. Für Weinfreunde zählt heutzutage nicht nur der Geschmack, sondern auch die Entstehungsgeschichte und das Umfeld eines Weines zu seinen Qualitätsmerkmalen.

Dieser Trend ist aus vielerlei Gründen zu begrüßen. Nicht zuletzt, weil er zu einem bewußteren Konsum und zur Bevorzugung hochwertigerer Weine führt. Allerdings sollte man dabei nicht übersehen, dass das Interesse zahlreicher Laien für ein hochkomplexes Thema wie die Weinherstellung auf einem umkämpften Markt zwangsläufig auch einen Kampf um die Deutungshoheit für an sich neutrale Fachbegriffe nach sich zieht.

Da eine umfassende Beschäftigung mit dem Thema Weinherstellung aber in der Regel nicht möglich (und oft wohl auch gar nicht erwünscht) ist, konzentriert sich die Diskussion meist auf einige wenige Signalwörter, an denen man meint, den Background eines Weines festmachen zu können.

Und weil ihre Erklärungsmuster so schön logisch und einfach klingen, tragen die Weinmoralisten mit ihren schwarz-weißen Glaubenssätzen häufig den Sieg davon: Reinzuchthefe ist böse, Spontangärung ist gut. Und so weiter…

Der nicht zum moralisieren neigende Winzer hat nur zwei Möglichkeiten, damit umzugehen: Er kann sich bequem dem Kanon der Meinungsmacher beugen. Oder er kann mühsam versuchen, darzustellen, dass die Weinwelt auch in solchen „Glaubensfragen“ nicht schwarz-weiß, sondern bunt ist.

Auf die Plätze, fertig, los:

Reinzuchthefen sind einzelne Saccharomyces-Stämme mit weitgehend bekannten Gäreigenschaften, die in Nährlösungen großen Stil vorvermehrt und anschließend gefriergetrocknet käuflich zu erwerben sind. Die überwiegende Mehrzahl der mittlerweile hunderten Hefepräparate sind jedoch keine züchterische Schöpfung des Menschen, sondern exakt jene Stämme, die in besonders positiv verlaufenden Versuchs-Spontangärungen dominiert haben.

Wie die meisten Spontangärungen verhält sich deshalb auch der Großteil der Reinzuchthefepräparate recht unauffällig, was das Aroma des späteren Weines betrifft. Nur eine relativ kleine Gruppe (die oft „Aromahefen“ genannt wird) neigt dazu, dem Wein ihren Stempel aufzudrücken und das Geruchs- und Geschmacksbild deutlich zu beeinflußen.

Die häufig anzutreffende Gleichsetzung „Reinzuchthefe=Aromahefe“ ist daher falsch, und im Übrigen sind hefeinduzierte Bukettstoffe nach Pfirsich, Sauvignon blanc, sauren Drops, etc. sehr kurzlebig, weshalb „Aromahefen“ für Weine mit einem längeren Entwicklungshorizont (der in der Regel auch eine höhere Qualität bedingt) nicht in Frage kommen.

Abgesehen davon läßt sich eine ähnliche Beeinflußung des Aromas auch ohne böse Reinzuchthefen z.B. über eine sehr niedrige Gärtemperatur erzielen. Spontangärung und Aromen nach sauren Drops schließen sich also mitnichten aus.

Echte und vermeintliche Unterschiede am Beginn…

Einer der wichtigsten Effekte des Reinzuchthefeeinsatzes ist die rasche Dominanz eines Hefestammes über alle anderen Mikroorganismen in einem gerade zu gären beginnenden Most. Während nämlich in spontan gärenden Säften alle möglichen Mikroorganismen aktiv werden, bis sich die ursprünglich nur wenigen Prozent echte Weinhefe ausreichend vermehrt haben, verschaffen die Präparate der Weinhefe einen deutlichen Startvorteil.

Betrachtet man die Sache aber genauer, stellt man fest, dass auch der Sponti-Kellermeister massiv versucht, die Mikroorganismenvelfalt im Most zu beeinflußen. Zuerst durch eine Vorklärung des Mostes (bei der der Großteil der natürlichen Population entfernt wird), schon vorher oder danach durch die Zugabe von SO2 (das empfindliche Mikroben zugunsten der echten Weinhefe hemmt), und sehr oft durch die Zugabe eines spontanen Gäransatzes (der wie die Reinzuchthefe zu einer raschen Dominanz der echten Weinhefe führt).

Diese Eingriffe in die Mikroorganismenflora des Mostes relativieren natürlich auch alle Versuche, die Hefepopulation als wesentlichen Teil des lagentypischen Geschmacksbildes darzustellen. Davon abgesehen dominieren spätestens ab dem dritten Tag der Weinlese sowieso die im Keller vorhandenen Stämme, es sei denn, dieser ist weitgehend keimfrei. Der dafür notwendige Aufwand erscheint allerdings wenig sinnvoll, zumal die wissenschaftliche Beweislage zur Theorie der lagenspezifischen Hefepopulation auf Weintrauben mehr als dürftig ist.

Trotz dieser Einflußnahmen sagt man spontan vergorenen Weinen eine größere Komplexität nach, vergißt dabei aber gerne, dass diese (vermeintliche) Komplexität meist mit einem durch die Nebenprodukte der sonstigen Mikroorganismenflora verursachten höheren SO2-Gehalt des späteren Weines und gar nicht so selten mit gesteigerten Gehalten an z.B. Histamin und flüchtiger Säure einhergeht.

Von Sponti-Verfechtern wird das jedoch ebenso gerne in Kauf genommen, wie die häufig mit der Spontangärung assoziierten Knoblauch-, Schwefel- und sonstigen unangenehmen Aromen in vorwiegend jungen Weinen. Solche Stinkerl gelten geradezu als Beweis für eine spontane Gärführung und werden deshalb mitunter sogar euphorisch als positives Charaktermerkmal gefeiert.

Dass es sich bei diesen mehr oder weniger deutlichen Böcksern weniger um eine Frage der Art der Gärung als um einen davon weitgehend unabhängigen Sauerstoffmangel während bestimmter Entwicklungsphasen des Weines handelt, fällt den Schwefelwasserstoff-Fetischisten gar nicht auf. Und rückt manch reduktiv arbeitenden Reinzuchthefe-Winzer mit nicht allzustarker Mostvorklärung und langem Hefelager – gewollt oder ungewollt – ins Sponti-Lager.

…und am Ende der Gärung

Neben der Vermeidung von Weinfehlern ist die sichere Endvergärung das zweite große Argument für Hefepräparate. Durch die Auswahl von gärstarken Sponti-Stämmen mit niedrigem Nährstoffverbrauch für die Reinzuchthefe-Produktion gären Reinzucht-Moste in den meisten Fällen sicher durch, während die Spontangärung häufig mehr oder weniger viele Gramm Restzucker im Wein beläßt.

Aufgrund dieser Eigenschaft werden Reinzucht-Weine von Sponti-Freaks gerne als mit „Turbohefen“ unnatürlich trocken durchgegoren bezeichnet, während der mehr oder weniger halbtrockene Zustand vieler Sponti-Weine als harmonischer, natürlicher Gärstillstand gelobt wird. Unterschlagen wird dabei allerdings, dass die meisten Weine auch mit der natürlichen Hefepopulation vollständig durchgären würden, wenn der Sponti-Kellermeister nicht massiv über Mostvorklärung und Gärtemperatur in deren Entwicklung eingreifen würde.

Andererseits finden manche Weinmoralisten, die die (vermeintliche) Beeinflußung des späteren Zuckergehaltes mittels „Turbohefen“ vehement ablehnen, gleichzeitig gar nichts dabei, willkürlich beim gewünschten Restzucker Gärungen zu unterbrechen und mikrobiologisch instabile Weine mit moderner Sterilfiltration in Flaschen zu bringen, Hauptsache es handelt sich um spontan vergorene Rieslinge.

Das ist natürlich ein klassischer Fall von Doppelmoral, denn selbstverständlich hat die Entscheidung, ob ein Wein 10 oder 50 Gramm Restzucker haben soll weit größere Auswirkungen auf den Stil des Endproduktes, als die Frage, ob der Most spontan oder nicht vergoren wurde.

Aber auch andere, in Sponti- und Nicht-Sponti-Kellern alltägliche Entscheidungen haben einen dramatisch größeren Einfluß auf die Stilistik, als die Wahl der Hefe, ohne derart moralinsauer diskutiert zu werden: Die Wahl des Lesezeitpunktes, der z.B. mit Überreife und Botrytis den Wein mehr prägt, als das die Hefe jemals könnte. Die Wahl des Gär- und Lagerbehälters bis hin zur Aromatisierung des Weines mit Holzinhaltsstoffen. Länge und Art des Ausbaues auf der Hefe nach der Gärung. Das Verschneiden von verschiedenen Chargen einer Sorte oder sogar verschiedener Sorten. Und, und, und.

Abstrakte Argumente

Neben diesen – in der Regel nur einseitig und verkürzt dargestellten – Fragen mit konkretem Weinbezug wird gerade in Sachen Spontangärung sehr häufig auch einigermaßen abstrakt argumentiert.

Reinzuchthefen nehmen dem Wein seine natürliche Aura und stehen für die Berechenbarkeit des modernen Geschmacks, heißt es zum Beispiel immer wieder. Dabei weiß jeder ernstzunehmende Kellermeister mit Reinzuchthefeerfahrung, dass es selbst mit dem gleichen Hefestamm und identer Temperaturführung nicht möglich ist, in zwei verschiedenen Behältern aus dem selben Most exakt den gleichen Wein zu erzielen. Zu groß ist die Zahl an Variablen, die – trotz Reinzuchthefe – zu Unterschieden in Gärverhalten und Weinstil führen.

Davon abgesehen gibt es auch Sponti-Keller, die allen Weinen die gleiche – berechenbare – aromatische Nuance mitgeben, und Reinzuchtbetriebe, die eine enorme – auf Sorten und Terroir, nicht auf Hefestämmen basierende – stilistische Vielfalt bieten können.

In diesem Zusammenhang sind auch die Werbeaussagen der Hefeproduzenten einigermaßen zu relativieren. Liest man nämlich deren Informationen, könnte man meinen, es käme in Geschmacksfragen überhaupt nur auf die Hefe und eigentlich gar nicht auf die Trauben an.

Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Weinmoralisten, die jedoch unterschlagen, dass es sich dabei nicht um seriöse Forschungsergebnisse, sondern um Verkaufsförderung in einem heiß umkämpften Markt mit vielen verunsicherten Winzerkunden handelt.

Gerne wird dabei auch auf die angebliche Macht der Hefeindustrie verwiesen, die mit nicht immer lauteren Methoden gegen die Sponti-Fraktion mobil mache, weil sie um Umsatz und Marktanteile fürchte. Dabei läßt sich leicht ausrechnen, dass die diversen Kellereiartikelfirmen zumindest mittels Reinzuchthefe (und nur die sollte man in diesem Zusammenhang in Rechnung stellen, will man redlich argumentieren) gar nicht so groß und mächtig sein können.

Die Verwendung von Reinzuchthefe kostet dem Winzer (je nach Hefestamm, Einkaufsquelle und Dosage) etwa ein bis zwei Cent pro Liter bzw. ein bis zwei Euro pro Hektoliter. Geht man davon aus, dass der überwiegende Teil der Weinernte solcherart vergoren wird, ergibt das in Deutschland einen jährlichen Reinzuchthefe-Umsatz von 10 bis 20 Millionen Euro.

Zieht man davon die Umsatzsteuer und die Margen für den Zwischenhandel ab, ist man in etwa beim gesamten Nettoumsatz der Reinzuchthefe-Hersteller, der damit wohl kleiner sein dürfte, als der Umsatz einzelner Weinkellereien. Und geradezu lächerlich im Vergleich zur Glas- und Verschlußindustrie, bei der es um das zehn-, zwanzig- oder nochmehrfache geht.

Womit natürlich auch der naive (oder besonders berechnende) Hinweis, die Spontangärung stehe für „antiindustrielle“ und „antikapitalistische“ Produkte einigermaßen lächerlich erscheint. Zumal auch solche Weine wohl fast immer aus mit dieselbetriebenen Traktoren bewirtschafteten Weingärten stammen, und mit Hilfe von jeder Menge Elektrizität (und nicht selten in Stahltanks) hergestellt werden. Und vom Winzer natürlich auch nicht verschenkt werden…

Eine Frage des Stils, nicht der Qualität oder Moral

Reinzuchthefe und Spontangärung sind zwei Optionen in der Weinbereitung die zu (gar nicht immer merkbaren) stilistischen Unterschieden führen.

Im Vergleich zu anderen, allerdings kaum thematisierten, weil „natürlicher“ erscheinenden menschlichen Eingriffen im Verlauf der Weinwerdung (Lesezeitpunkt, Maischestandzeiten, SO2-Einsatz, Gärtemperatur, Behälterauswahl, Gärungsunterbrechung, Hefelager,…) bietet die Wahl der Hefe jedoch deutlich weniger Gestaltungsmöglichkeiten für den Kellermeister.

Die Art der Gärung ist deshalb eine rein stilistische und keine Qualitätsfrage, und schon gar keine von Glauben oder Moral. Auch wenn neoromantische Moralisten mitunter versuchen, sie dazu zu machen.

20 Gedanken zu „Weinmoralismus“

  1. Lieber Bernhard,
    dieser Artikel wird bei mir als einer deiner (vielen) Besten abgelegt und verdient das Prädikat „verpflichtende Lektüre für Weinafficionados“ – Danke!

  2. Lieber Bernhard,

    danke für deinen Beitrag zu diesem komplexen Thema, dass du in deiner unnachahmlichen Art, auch für Laien verständlich, dargestellt hast. Nur Freunde wirst du dir damit nicht gemacht haben. 😉
    Man sollte diesen deinen Artikel dem einen oder anderen Weinkunden zum Lesen geben.

    Gruß
    Siegfried Perini

  3. Dankeschön!

    Mittlerweile steht der Artikel auch als Gastbeitrag hier bei Captain Cork.

    Zumindest bei den dortigen Kommentarschreibern habe ich mir offenbar tatsächlich wenige Freunde gemacht, aber ich nehme das was dort teilweise abgeht als Indiz dafür, dass die Einleitung meines Beitrages und der letzte Satz wohl nicht ganz falsch sein dürften 😉

  4. Kompliment! Besser kann man die komplexen Zusammenhänge wohl nicht auf den Punkt bringen!

    Michael Liebert

  5. Sehr gut! Sachlich (!!!!) und kompetend geschrieben! Weinbereitung ist mehr als die schwarz/weiß Diskussion Spontan oder Reinvergärung. Viele einzelne Faktoren machen das ganze aus! Das Ganze, der Weinberg, der Boden, das Klima, der Winzer, der Kellermeister, der Jahrgang und viele andere Kleinigkeien mache den Weingeschmack aus: Das ist die eigentliche Umschreibung der Terroirbegriffes. Hat also sehr wenig mit der Gärmethode zu tun, die in Prozess der Weinbereitung nur eine „kleine Rolle“ spielt.
    Gruß

  6. PERFEKT!!!!
    Und bitte lass dich durch diese tlw. von Schwasinn gerägten Untergriffe beim Captain Cork nicht unterkriegen.

    lg
    Franz

  7. Wie immer ein spannender, logisch und nachvollziehbar argumentierter Beitrag von dir – während die „Gegenseite“ nur das übliche „Spontanvergärung ist besser. Punkt. Darüber gibt es nichts zu diskutieren“ eines W.E. dagegensetzen kann. Vielen Dank nochmals für deine Ausführungen.

    Grüße,
    Gerald

  8. Bravo Bernhard, gut die Stirn geboten!
    Mich erschreckt immer wieder wie sehr Dinge in schwarz und weiß, gut und böse, oder Industrie und heileWeltÖko gesehen wird.
    Was bei deinem Gastbeitrag bzw. Zitat inhaltlich in den Kommentaren von Menschen, auch aus der Weinbranche kommend, abgegeben wurde ist teilweise schon dramatisch

  9. Ein sehr guter Beitrag wiedereinmal, Bernhard! Als praktizierende „Sponti-Hefen-Vergärerin“ bei meinen Rotweinen finde ich in Deinem Beitrag auch alle Argumente, die erklären, warum es immer noch nicht möglich war, sich auf europäischer Ebene aufeine gemeinsame Charta für die Weinbereitung bei bio-zertifizierten Weinen zu einigen und warum gerade in Frankreich die Bewegung der „Vin Naturels“ entstanden ist. Wenn der Verzicht auf Reinzuchthefen durch jede Menge anderer Methoden aus der Trickkiste der der konventionellen Weinbereitung kompensiert wird, die Du ja zitierst, ist nur an der Verwendung der Hefen kein so entscheidender Unterschied fest zu machen.

    Wie Harald Steffens schon schreibt: Terroir ist viel komplexer – fängt eben im Weinberg und bei den Trauben des jeweiligen Jahrgangs an und kann dann auch im Keller noch auf vielfältige Weise zum Ausdruck gebracht oder eben nivelliert werden…

    Zeitpunkt und Menge des Schwefeleinsatzes, mit oder ohne Temperaturkontrolle, geschönt und gefiltert oder nicht, Wahl des Gärbehätlers und Ort, Behälter und Dauer des Ausbaus und alle Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren sind viel auschlaggebender ür das Resultat: den Wein auf der Flasche – dass dann auch noch all die vielfältigen Varianten bei seiner Verkostung im Glas durch die größte Variable Mensch beeinflusst werden, ist ja auch hinreichend bekannt, wird aber ebenfalls gerne vergesen.

  10. Bernhard, jetzt hab ich auch bei Captin Cork die Kommentare gelsesen- bis auch den persönlichen Angriff bei einem Kommentator auf Fiedler-Weine als idustriell, derja auch vom Captain als difamatorisch zurückgepfiffen wird, finde ich die anderen gar nicht so schwacksinnig. Da wird eben diskutiert.

    Deinen Ausführungen zum höheren SO2 Bedarf bei spontanvergorenen Weinen kann ich z.B. auch nicht ganz folgen. Ich setze z.B. geringe Mengen von SO2 nach Abschluss der malolaktischen Gärung ein, um ein Ansteigen der flüchtigen Säure während des noch folgenden, langen Barriqueausbaus auf den feinen Hefen zu kontrollieren, der den Wein bei Grenzüberschreitung nicht verkehrsfähig machen würde – der Schwefelgehalt des fertigen Weins auf der Flasche übersteigt aber nur selten die überhaupt nur Angabepflichtigen 10mg/l SO2 total (z.B. 12 und 14 mg/l für den Jahrgang 2008, unter 10 mg/l für 2007 und 2006) – und trocken drchgegoren sind die Weine eigentlich auch seit Jahren ohne irgendwelche Zusätze und das trotz zeitweise sehr hohen potentiellen Alkoholwerten im Most, die hier natürlich in denletzten Jahren eher zwischen 14 und 15° als darunter liegen…

  11. Sehr schöner und vor allem kritischer Beitrag der natürlich vielen Spontanvergärungsanhängern sauer aufstossen wird.

  12. @Iris:
    Ich habe in meinem Beitrag schon versucht, nicht zu generalisieren, gebe aber zu, dass ich manches einer gewissen polemischen Schärfe wegen zugespitzt habe. Zu deinen SO2-Erfahrungen muß allerdings schon auch sagen, dass sie – vermutlich, denn leider, leider hatte ich noch keine Gelegenheit deine Weine zu verkosten – wohl eine weinstilistische Nische betreffen. (Nicht falsch verstehen: Ich bin froh, das es im Weinbereich so viele Nischen gibt und wirklich neugierig.)

    Davon abgesehen ist die SO2-Situation beim Rotwein sowieso eine andere, als beim Weißen, und in Regionen mit einer ausgeprägten Kultur für Weine, die von Lagerung und Reife geprägt sind wiederum anders als in solchen, die traditionell davon geprägt sind, von jugendlichen Fruchtaromen dominierte Weine zu produzieren.

    Aufgrund der fehlenden Vorklärung, der Anwesenheit der Schalen und der höheren Gärtemperaturen beginnt die Gärung beim Rotwein schneller und die Phase, in der Nicht-Saccharomyceten tätig sein (und schwefelbindende Substanzen bilden können) ist kürzer. Der (beim Weißen seltene, beim Roten de facto obligatorische) biologische Säureabbau reduziert solche Substanzen, weshalb Rotweine immer weniger SO2-Bedarf haben. Und darüber hinaus schützt sich Rotwein durch seine Tannine auch ohne SO2 relativ gut vor Oxidation bzw. werden leichte Oxidationsaromen (anders als beim Weißwein) nicht unbedingt negativ gesehen.

    Was die Kommentare betrifft, so folgen viele davon dem Muster, dass ich in meiner Einleitung versucht habe darzustellen. Eine Diskussion wie z.B. gerade eben mit dir sehe ich ehrlich gesagt kaum.

    Kaum jemand hat verstanden, dass ich die Spontangärung mit keinem Satz schlecht bzw. schlechter als die Reinzuchthefe gemacht habe, sondern diese ausdrücklich (auch) als Option bezeichne. Niemand (außer dir) hat konkrete Beispiele und nachvollziehbare Argumente gebracht, um meine Angaben zu kritisieren.

    Stattdessen weicht man entweder auf ein anderes Spielfeld aus:

    „Alles beginnt eigentlich nach der Blüte … dass es nicht ausreicht hier den Anteil von Hefen – egal ob Zucht oder natürlich – isoliert zu diskutieren.“

    Oder stellt zum Teil haarsträubende Behauptungen auf, um mich zu widerlegen, ohne aber selbst auf Nachfrage irgend einen Beleg dafür bringen zu können:

    „Auch dass in spontanvergorenen Weinen mehr histamin enthalten ist, ist totaler Schwachsinn – selbiges (was für Kopfweh und Allergien verantwortlich) ist stammt viel mehr aus chemischen Spritzmitteln und ist in Industrieweinen.“

    Gerne wird dabei auch so getan, als hätte ich behauptet, auch nur eines der vielen von mir angeführten Details wäre immer so wie von mir angeführt. Man beachte meine diesbezüglichen Formulierungen (nicht selten,…).

    Wenn das nicht reicht, werden meine Quellen, wiederum ohne Gegendarstellung, schlechtgemacht:

    „Abgesehen davon kann man mit sochen Studien sowieso alles beweisen. Die kommen aus der gleichen Klosterneuburger Ecke wie auch viele Dozenten der Weinakademie, weils halt schon immer so war und gelehrt wurde.“

    „Jeder Hobbyweinbauer hat mehr kellerwirtschaftliche Erfahrung als Wissenschaftler, die glauben Wein mit dem Mikroskop machen zu können.“

    Oder ich persönlich:

    „…auch einem Bernhard Fiedler (als Anhänger der Techniker und WeinMACHER) nehm ich da die Berechtigung, weil er einfach befangen ist. Allein wie er vom Vergären des Mostes ausgeht merkt man doch, dass er letztendlich auf seinem Chemikerstand bleibt.“

    „…aus chemischen Spritzmitteln und ist in Industrieweinen (wie vom Weingut Fiedler).“

    „Querdenken geht bei den Fiedlers scheinbar nicht. So schmeckts auch!!!!“

    Lustig dabei ist, dass man sich auf diesen Stil der Nicht-Diskussion bei solchen Themen absolut verlassen kann. Wie Gerald für Insider verständlich andeutet, kann man dieses Verhaltensmuster und zum Teil auch die Personen seit Jahren im WorldWineWeb beobachten.

    Auf Dauer wird die Sache zwar langweilig, aber hin und wieder so ein Theater zu provozieren macht schon Spaß 😀

    @all:

    Danke!

  13. Das mit den Histaminen ist auch totaler Schwachsinn, Histamine entstehen bei Verfallsprozessen und die im Wein vorkommend haben so gut wie nix mit Kopfweh, Allergischen Reaktionen geschweigedenn Spritzmitteln zu tun.

    Bei den Kommentaren bei dem Crossposting im Corkschen Weblog merkt man ganz schön wie schlecht es um die wirkliche Wissensvermittlung der Weinfachmagazine steht – obwohl eigentlich unter jedem Artikel „bezahlte Anzeige“ stehen könnte.

    Aber was solls, ja Spontanvergärung und Biodynamie ist ja jetzt der Trend wie es scheint. Wem es schmeckt soll glücklich damit werden.

    In ein paar Jahren verbuddeln wir dann an die Tonamphoren.

  14. @ Bernhard
    Brillant! Klasse, neutrale Wissensvermittlung. Und keiner merkt es…
    und keiner will es glauben und sich auf seinen eigenen Geschmack verlassen, aber dem aktuellen Modetrend wird blind hinterher gelaufen.
    Zuerst erfragen wie der Wein produziert wird, daraus seine „Schlüsse“ ziehen wie der Wein schmeckt – schmeckt natürlich nicht, wenn der Winzer sagt reinvergoren – alltägliches Geschäft wenn ich Weinverkaufen will.
    Es ist schon bemerkenswert, wie viele Winzer auf Anfrage nur noch spontan vergären und dem Kunden nach dem Maul reden. Aber auch bemerkenswert ist, das bei Probenanforderungen, u. a. auch beim Gault Millau, abgefragt wird, ob die Weine spontan oder reinvergoren sind. Eigentlich, wenn es denn diese Rolle spielt, müsste man es schmecken können, insbesondere der Profi.

    Aber trotzdem Weinfrohe Grüße nach Österreich

  15. Es ist schon bemerkenswert, wie viele Winzer auf Anfrage nur noch spontan vergären und dem Kunden nach dem Maul reden.

    Ist es das wirklich, Harald? Ich meine, dass man als halbwegs normaler Winzer aus den Reaktionen bei Captain Cork auf meinen Beitrag einen ganz bestimmten Schluß ziehen muß:

    Nämlich den, dass man sich in solchen Fragen möglichst nicht gegen jene Ideologie stellen sollte, die in der Zielgruppe vorherrscht, die sich so detailiert für Wein interessiert. Man kann dabei nur verlieren, zumal einem ohnehin niemand beweisen kann, ob sich die Werbeaussagen mit der tatsächlichen Arbeit im Keller decken.

    Außerdem ist die Marktnische für Aufklärer-Winzer winzig klein und mit mir alleine schon ziemlich überfüllt 😀

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