Das Gedächtnis des Kellermeisters

Heute habe ich meine Aufzeichnungen über die Weine des Jahrgangs 2007 durchgesehen, um den einen oder anderen vorläufigen Schluß daraus für die nächste Ernte zu ziehen, und die eine oder andere lesestreßbedingte Schlampigkeit zu beheben solange die Erinnerungen an die Lese noch recht frisch sind.

Seit über zehn Jahren, also nicht erst seit den vergleichsweise neuen EU-Aufzeichnungsbestimmungen zum Zwecke der Rückverfolgbarkeit, schreibe ich alles auf, was von der Übernahme der Trauben bis zur Abfüllung mit jedem einzelnen Wein (d.h. mit jeder einzelnen Teilcharge) im Keller passiert.

Ursprünglich sollte diese Mühe vor allem die Koordination zwischen meinem Vater und mir verbessern, da wir beide manchmal abwechselnd im Keller arbeiten. Je länger ich im Keller tätig bin, umso wichtiger werden sie aber auch, um den eigenen Weinstil weiter zu verfeinern, den Überblick über die vielen verschiedenen kleinen Experimente nicht zu verlieren und bei jeder neuen Ernte auf eine wachsende „Datenbank“ ähnlicher Jahrgänge zurückgreifen zu können. Schließlich werden die Dinge, die es sich zu merken gilt von Jahr zu Jahr mehr. Und auch ich werde nicht jünger.

Für den Wein, den wir voraussichtlich als ersten des neuen Jahrgangs abfüllen werden, sehen die Aufzeichnungen (für eine der beiden Teilchargen) bisher folgendermaßen aus:

Muskat Ottonel 2007 Wieser, Satzwiesort 17°KMW

Wieser gelesen am 27. 8., vormittags aber warm; direkt in die Presse, 30 mg/l SO2 zum Most in die Preßwanne, 150 g/hl Canaton (eine Bentonit-Marke, Anm.), gut vorgequollen; entschleimt, Trub filtriert und rückverschnitten

Dichte 1082; 20°C; 17°KMW; pH-Wert 3,40; Säure 5,6 g/l; ca. 11 hl; Hefe EC 1118

Satzwiesort gelesen am 28. 8., vormittags, kühler; direkt in die Presse, 30 mg/l SO2 zum Most in die Preßwanne, 150 g/hl Canaton (eine Bentonit-Marke, Anm.), gut vorgequollen; entschleimt, Trub filtriert und rückverschnitten

Dichte 1080; 19,5°C; -17°KMW; pH-Wert 3,40; Säure 5,9 g/l; ca. 11 hl; gesamt 22,5 hl in Tank 25 hl

Rundpumpen (in der Endphase der Gärung bzw. danach um ein zu frühes kompaktes Hefetrubdepot zu vermeiden, das zu Fehlentwicklungen führen könnte, Anm.): 4. 9.

gezogen (vom Geläger, Anm.) in Tank 20 hl (Dichte 993,5) am 7. 9. (restliche Menge zum Auffüllen der zweiten Charge verwendet, siehe dort, Anm.)

40 mg/l SO2 gegeben am 11. 9., nicht gemischt

30 mg/l freies SO2 gemessen am 20. 9.

27 mg/l freies SO2 gemessen am 24. 10.

Ergänzend dazu gibt es für jeden Wein eine Gärkurve wie diese (im Bildhintergrund), die die Gärtemperatur und den Gärverlauf dokumentiert:

Dichtemessung mittels Senkwaage

Viel ist das nicht, oder? Und viel kommt bis zur Abfüllung auch nicht mehr dazu:

  • ein Test auf Eiweißstabilität und gegebenenfalls eine kleine Bentonit-Nachschönung, falls die Mostbehandlung nicht ausgereicht hat
  • eine Kieselgurfiltration um den Wein optisch klar zu machen
  • der Verschnitt mit der zweiten Charge Muskat
  • die Einstellung des SO2-Spiegels auf rund 40 mg/l vor der Füllung
  • und eine Sterilfiltration im Rahmen der Abfüllung mit unserer gemeinschaftlichen Füllanlage

    Die besten Weine sind nun einmal die, mit denen der Kellermeister nach der Gärung am wenigsten Arbeit hat.

  • 3 Gedanken zu „Das Gedächtnis des Kellermeisters“

    1. Und diese „schlanke Produktionsform“ überzeugt mich auch als Konsument ganz besonders – die „gesunden Trauben“ präsentieren im vergorenen Zustand ihre Qualität wie ganz von selbst; auf „Geschmacksdesign“ kann weitgehend verzichtet werden. (Es ist wohl so, dass da die meiste Arbeit nicht im Keller, sondern bereits in der Rebzeile zu erfolgen hat, oder?)

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