Wie entsteht Rotwein? (Teil 7)

Der Ausbau im Holz

In den meisten Weinkellern der Welt ist das Holzfaß nach wie vor der klassische Lagerbehälter für hochwertige Rotweine. Wie in Teil 6 dieser Serie beschrieben brauchen nämlich fast alle Rotweine für ihre Entwicklung eine gewisse Menge Sauerstoff, den sie am einfachsten und schonendsten durch die Poren von Holzfässern erhalten.

Manche Fässer beeinflußen den Geschmack der Weine aber nicht nur indirekt durch den fein dosierten Luftzutritt, sondern auch direkt, indem sie Geschmackstoffe an den Wein abgeben. Diese Art von Fässern (bzw. der darin gelagerte Wein) wird landläufig meist „Barrique“ genannt.

Von Barriques,…

Eigentlich definiert die Bezeichnung „Barrique“ nur eine französische Faßgröße (von ca. 225l Inhalt), die nicht zwangsläufig Geschmack an den Wein abgibt. Diese zusätzliche Bedeutung hat das Wort erst bekommen, als es weltweit modern wurde, nach dem Vorbild der großen Chateaux in Bordeaux für jeden Jahrgang ausschließlich oder zumindest überwiegend neue Barriques zu verwenden.

Diese Mode hat den direkten Geschmackseinfluß der Barriques auf den Wein in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, weshalb heute die Größe für die Definition weniger wichtig ist, als die Tatsache, dass es sich um (relativ) neue Fässer handelt. Salopp könnte man sagen, das man unter einem Barrique ein Faß versteht,

  • das in den allermeisten Fällen aus Eichenholz gemacht ist (Kastanie und sonstige Experimente sind sehr selten),
  • das vergleichsweise klein ist und etwa zwischen 100 und 300 Liter faßt,
  • das vor der erstmaligen Befüllung mit Wein nicht „weingrün“ gemacht wurde, d. h. nicht durch Wasserdampf und Heißwasser von allen löslichen Stoffen befreit wurde,
  • dessen Dauben bei der Herstellung über dem offenen Feuer gebogen und dabei „getoastet“ wurden, was dazu führt, das die löslichen Holzinhaltstoffe nicht unangenehm holzig und bitter, sondern je nach Grad der Toastung nach Vanille, Kakao, Kaffee, Rauch oder Teer schmecken,
  • und das nur ein paar Mal mit Wein befüllt wird, weil es mit jedem Mal weniger Geschmackstoffe an den Wein abgibt und nach etwa drei bis fünf Jahren (fast) so geschmacksneutral ist, wie ein „normales“ Faß.
  •  

    … großen Holzfässern…

    Viele Winzer und Weinliebhaber verwenden den Begriff „großes Holzfaß“, wenn sie festhalten wollen, dass ein Wein in Fässern gelagert wurde, die (im Unterschied zu den kleinen Barriques) keinen Geschmack an den Wein abgeben. Dabei kommt es für diese Unterscheidung gar nicht auf die Größe an, denn schließlich gibt es auch „Nicht-Barriques“ mit 200 oder 300 Litern Inhalt.

    Wirklich treffend für diese Art von Fässern wäre die größenunabhängige Bezeichnung geschmacksneutral, die aber zugegebenermaßen ziemlich unromantisch klingt. Deshalb spreche ich persönlich gerne von traditionellen Fässern, weil es in Österreich tatsächlich üblich ist, die Fässer vor der ersten Verwendung weingrün zu machen.

    …und den Dingen dazwischen.

    In den Anfangsjahren des Barriqueausbaus von Rotweinen in Österreich wurden die beiden Ausbauformen „Barrique“ und „klassisch“ von Konsumenten wie Produzenten streng unterschieden. Beim Weinausbau, im Verkauf, auf den Weinkarten der Restaurants und bei den Konsumgewohnheiten gab es nur entweder oder.

    Wie in anderen Ländern auch, hat sich diese klare Frontstellung bis heute weitgehend aufgelöst und die Weine, die zwar einen gewissen Holzeinfluß erahnen lassen, aber doch keine „richtigen“ Barriqueweine sind, gewinnen an Bedeutung.

    Viele dieser Weine lagern in Barriques, die durch die häufige Verwendung schon beinahe geschmacksneutral geworden sind. Manche wurden in großen Holzgärständern vergoren oder in großen Fässern gelagert, die nicht weingrün gemacht wurden, sondern wie überdimensionale Barriques innen getoastet sind.

    Einige Winzer schwören auf „Barriques“ mit 500 Litern Inhalt, weil sie eine etwas geringere Oberfläche im Verhältnis zum Inhalt haben, als jene mit den üblichen 225 Litern. Und fast alle kombinieren im Interesse des Endproduktes Chargen aus neuen, alten, großen und kleinen Fässern und gelegentlich auch solche, die nie in einem Holzfaß waren.

    Davon abgesehen gibt es natürlich auch die Möglichkeit, den geschmacklichen Einfluß von Holzfässern durch die Zugabe von Chips oder größeren Holzstücken in Fässer oder Tanks zu simulieren. Diese in der EU erst seit 2006 zugelassenen Behandlungsmittel werden aus dem selben Holz wie die Barriques gemacht und wie diese auch getoastet. Sie sind wesentlich günstiger als Holzfässer und geben ihren Geschmack durch die größere Oberfläche schneller ab, was die Flexibilität der Kellermeister erhöht.

    Wird bei der Verwendung von Chips auch genügend Sauerstoff in den Wein gebracht (entweder durch die Lagerung in Fässern oder die gezielte Einbringung von geringen Mengen Sauerstoff mit Sonden in Edelstahltanks), sind diese Weine nur schwer von „echten“ (Teil)Barriqueweinen zu unterscheiden.

    Von der Modeerscheinung zur Tradition

    In den meisten Weinbaugebieten der Welt ist die Bereicherung von (Rot)Weinen mit Eichenholzaromen eine ziemlich junge Entwicklung, die als typische Modeerscheinung begann. Weltweit begannen die Kellermeister vor allem deswegen mit Barriques zu experimentieren, weil sie mit dem Kopieren der französischen Ausbaumethoden (und teilweise auch Sorten) auch ein Stück des Ruhmes der französischen auf ihre eigenen Weine transferieren wollten.

    Dabei stellte sich recht bald heraus, dass die Sache weit komplizierter ist, als ursprünglich angenommen. In vielen Ländern waren nicht nur die Produzenten, sondern auch viele Konsumenten mit den ersten Barrique-Weinen völlig überfordert. Andere klimatische Voraussetzungen, andere Sorten, Weinstile und Qualitätsniveaus führten dazu, dass man nur bedingt auf die Erfahrungswerte in anderen Gebieten zurückgreifen konnte und eigenes Lehrgeld bezahlen mußte.

    Trotz vieler aus heutiger Sicht eher bedenklicher Weine wurde der Begriff „Barrique“ für viele Konsumenten aber bald zu einem Qualitätsmerkmal und half den Winzern, höhere Preise durchzusetzen. Nur langsam reifte die Erkenntnis heran, dass es weniger auf die magische Bezeichnung „Barrique“ als vielmehr auf den Wein selbst ankommt.

    Das beste Beispiel dafür ist die Etikettengestaltung der Weine: Während noch Anfang der 1990er-Jahre in Österreich fast alle namhaften Rotweine auch die Bezeichnung „Barrique“ auf dem Vorderetikett trugen, findet man diese Angabe heute kaum noch. Damit hat sich der Barriqueausbau von der Modeerscheinung zum üblichen Stilmittel bei Rotweinen der mittleren und höheren Qualitäts- und Preiskategorie gewandelt.

    Holzgeschmack im Wein?

    Auch wenn man von Ausbau, Lagerung und Reifung, von Tradition und Terroir spricht: Letztlich ist die Verwendung von Fässern, die nicht geschmacksneutral sind eine Form der Aromatisierung von Wein. Der Unterschied zwischen Eichenholzchips und Barriques ist daher nur ein methodischer, aber kein prinzipieller.

    Eichenaromen können das Bukett eines Weines komplexer machen und Holztannine tragen wesentlich zum Mundgefühl und zur Lagerfähigkeit von Rotweinen bei. Während aber hochwertige Rotweine durch den Barriqueausbau gewinnen können, ist bei einfacheren Qualitäten die Gefahr groß, dass die Barrique-Aromen aufgesetzt und unangenehm wirken und die Struktur unharmonisch und hart. Wie mit allen anderen Maßnahmen der Kellerwirtschaft kann man auch mit Barriques aus einem bescheidenen Ausgangsprodukt keinen Spitzenwein machen.

    Die besten Barrique-Weine sind die, bei denen der Verkoster nie ganz sicher sein kann, ob dieses oder jenes Aroma, dieser oder jener Eindruck am Gaumen und dieses oder jenes Tannin vom Holz oder von der Traube kommt. Sinnvoller Barriqueausbau bereichert einen Wein, ohne sich allzusehr in den Vordergrund zu drängen.

    Viel hilft viel?

    Diese Erkenntnis reift nicht von heute auf morgen und ist noch nicht zu allen Produzenten und Konsumenten durchgedrungen. Nach wie vor gibt es viele Weine, die nach dem Motto „viel hilft viel“ bereitet wurden.

    Manche Winzer sehen es geradezu als Naturgesetz an, dass ihre teuersten Weine (unabhängig vom Endresultat) immer ausschließlich in ganz neuen Barriques reifen müssen, und der eine oder andere schwört sogar auf die Formel „200 Prozent neues Holz“, bei der der Wein nach einem Jahr Reifezeit in neuen Barriques für ein weiteres Jahr in wiederum ausschließlich neue Fässer umgezogen wird.

    In den Anfangsjahren des Barriqueausbaus waren solche Weine oft untrinkbar hart und holzig (und wurden aber trotzdem getrunken). Heute dagegen sind auch die überholzten Weine durchaus trinkbar, weil sowohl die Weine (durch gestiegenes Rotwein-Know-How) besser geworden sind, als auch die verwendeten Fässer (durch gezielteren und höherpreisigen Faßeinkauf).

    Das Problem vieler moderner Rotweine ist daher nicht ihr holziger und unharmonischer Geschmack, sondern die Tatsache, dass man hinter den vielen nicht unbedingt unangenehmen Vanille- und Röstaromen des Holzes den Wein selbst mit seinen aromatischen Eigenheiten kaum noch erahnen kann.

    Die neue Bescheidenheit

    Weil kein Trend auf Dauer ohne Gegentrend bleibt, hat sich in den letzten Jahren neben der immer noch starken Hardcore-Barrique-Fraktion eine Gruppe von Winzern und Konsumenten etabliert, die einen maßvolleren Einsatz von Eichenholz propagiert.

    Einzelne Winzer schwören auf größere Neufässer (mit weniger Oberfläche, d.h. weniger Holzgeschmack pro Liter Inhalt), andere sind davon abgegangen, nur neue Barriques für ihre Spitzenweine zu verwenden oder setzen zumindest weniger stark getoastete Barriques ein und das mehr oder weniger weingrüne „große“ Faß erlebt eine gewisse Renaissance.

    Da solche Weine mit ihrem Understatement in Blindverkostungen gegen eine geballte Röstaromatik oft nur Außenseiterchancen besitzen, spielen sie in der (ver)öffentlich(t)en Meinung bisher meist nur eine Nebenrolle.

    Aber immerhin ist es bereits gelungen, viele Meinungsmacher und Winzer dazu zu bewegen, von einem zurückhaltenderen Holzeinsatz zu reden. Und vielleicht lassen die Weine, die von ihnen favorisiert werden in ein paar Jahren auch tatsächlich mehr Frucht und weniger Holz erkennen…

    Und in der Praxis?

    Der Kellermeister steuert die Intensität der Holzaromatik nicht primär durch die Lagerdauer des Weines in den Fässern, sondern durch die Auswahl der Fässer. Der geschmackliche Einfluß des Holzes ist nämlich nach wenigen Wochen am stärksten spürbar und nimmt danach eher wieder ab oder integriert sich zumindest besser in das Gefüge des Weines.

    Die richtige Mischung von neuen Barriques, älteren Fässern und vielleicht sogar kleinen Anteilen von im Tank gereiften Chargen bestimmt, ob der geschmackliche Einfluß des Holzes auf den Wein dominant, markant, spürbar, dezent oder nur erahnbar ist.

    Die Lagerdauer in den Fässern bestimmt dabei den Grad der Reife. (Zu) kurz gelagerte Weine wirken unterentwickelt und können dieses Manko auch durch eine noch solange Flaschenreife nicht immer ausgleichen.

    Mittlere Reifezeiten sichern den Weinen eine gute Entwicklung, erhalten ihnen aber auch noch genügend jugendliche Fruchtcharme um das Holz besser zu balancieren und verhindern, dass die Tannine trocken und eher spröde erscheinen.

    Lagern die Weine (zu) lange in den Fässern, wirkt ihr Aroma überreif und ist eher von (nicht zwangsläufig unangenehmen) oxidativen Elementen als von Fruchtaromen geprägt. Nicht selten wirken auch ihre Tannine überreif und verlieren ihre süßlich-saftige Art.

    Auch bei der Lagerdauer hat also der Grundsatz „Mehr ist besser“ keine allgemeine Gültigkeit.

    8 Gedanken zu „Wie entsteht Rotwein? (Teil 7)“

    1. Vielen Dank für diesen ausführlichen und vor allem sehr „ausgewogenen“ Artikel. Ich werde ihn sicher in einem meiner Blogposts über unseren Barriqueausbau verlinken!

    2. Aus ihrer Feder klingt die Weinbereitung sehr plastisch und anschaulich. Ich hoffe und freue mich auf mehr „Aufklärungsarbeit“ mit dieser Stilistik. Die Krönung wäre noch eine entsprechende Bildserie.
      Vielen Dank
      Michael F. Eichinger

    3. Hallo Herr Eichinger!

      Herzlichen Dank für das Kompliment. Bilder sind nicht unbedingt meine Stärke, aber einen kleinen Ansatz in diese Richtung gibt es als zehnteilige Serie unter dem Titel „Bildergeschichten von der Weinlese“, am besten zu finden in der Kategorie Lese 2007

      Herzliche Grüße

      Bernhard Fiedler

    4. Hallo Herr Fiedler,
      lese mit großem Interesse viele Ihrer Beiträge und lerne sehr viel dabei. Zum Barriqueausbau hätte ich folgende Frage: Habe ein kleines französisches Fass (getoastet, 50 l) gekauft, habe auch so viel Spätburgunder aus meinem kleinen Weinberg, traue mich aber gerade nicht, den Wein darin auszubauen, weil ich mengenmäßig keine Möglichkeit zm späteren Verschnitt mit anderen Chargen habe. Was soll ich tun? Den Wein je nach Geschmacksentwicklung evtl. nur ein, zwei, drei Monate im Fass ausbauen? Oder das Fass weingrün machen? Und wenn ja,kann ich durch Reinigung eine „Erstbelegung simulieren“?

      Vielen Dank für Ihre Geduld, vielleicht haben Sie ja einen Tipp für mich.

      Mit freundlichen Grüßen vom „Kollegen“

      Michael Noll

    5. Sehr geehrter Herr Noll,

      ich habe den Kommentar erst jetzt gesehen, sorry. Ihre Bedenken sind absolut nachvollziehbar, 100% neues Holz, noch dazu bei dieser kleinen Fassgröße (noch mehr Oberfläche im Verhältnis zum Inhalt als bei einem Barrique) ist schon ziemlich viel. Da müßte der Wein schon ein ziemlich üppiger Hammer sein, wogegen aber die Rebsorte spricht und wohl auch die Kleinmengenvinifizierung.

      Über die Zeitdauer wird sich das Problem nicht lösen lassen, denn die meiste Holzaufnahme passiert in den ersten paar Monaten. Ohne wirklich Erfahrung mit solchen Situationen zu haben erscheint mir der Weg einer Vor-Auslaugung mit Wasserdampf oder Heißwasser interessanter.

      Konkretere Tipps kann ich dazu aber leider nicht geben.

      Herzliche Grüße

      Bernhard Fiedler

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