Das Geheimnis des Erfolges?

Weinmessen und Präsentationen sind immer auch eine gute Gelegenheit, um Erfahrungen mit Winzer-Kollegen auszutauschen und Kontakte in der Branche zu knüpfen. Besonders interessant dabei ist der Gesprächsstil, den manche Weinbauern untereinander pflegen.

Winzer von Betrieben wie unsereinem, also mittelgroß, familiär geführt, mit gehobenem Qualitätsniveau und gelegentlicher, aber nicht ständiger Medienpräsenz verkehren nach meinen Erfahrungen meist relativ ungezwungen. Das Gespräch dreht sich sehr oft um die aktuelle Situation im Weingarten (und das Wetter 🙂 ) und bleibt in der Regel auf einem allgemeinen und gleichberechtigten Niveau. Bei persönlicher Sympathie geht es auch schon mal ins Detail oder ins Private.

Möchtegern-Starwinzer hingegen treten nicht nur in den Medien sondern auch unter Kollegen als solche auf. Ein Schulbeispiel dafür durfte ich in den letzten Tagen wiedereinmal studieren. Dabei habe ich folgende Merkmale diagnostiziert:

Der Möchtegern-Star sieht den Normalwinzer nicht als gleichberechtigten oder gleichwertigen Kollegen. Mit Fragen wie „Wird bei euch in Mörbisch auch ausgedünnt?“ stellt er sofort klar, wo das weinqualitative Zentrum ist, und wo die Provinz, die von qualitativer Weingartenarbeit keinerlei Ahnung hat.

Durch seinen Status sieht er sich über jede kollegiale Diskussion seiner Weine erhaben. Ein Winzerlob für seine Weine nimmt er beiläufig und wie selbstverständlich entgegen, konstruktiv-kritische Aussagen werden ignoriert oder mit einem Bezweifeln der Kompetenz quittiert. Wenn der Möchtegern-Star Gefahr wittert, holt er zum saftigen, aber wohlgetarnten Rundumschlag gegen die Weine der Kollegen aus. Aussagen zu Fragen der Menübegleitung a la „na den Fisch hätte euer Wein (unser Mörbisch weiß 2002) nicht geschafft, dafür hat er nicht genug Kraft und Substanz so wie sie unser xy hat“ mögen harmlos klingen. Im Kontext sind es aber oft gut getarnte Schläge unter die Gürtellinie.

Als Beweis für seinen Status sieht der Möchtegern-Star nicht die Wahrheit im Glas (die hat er ja ohnehin gepachtet), sondern ausschließlich seine Medienpräsenz und seinen Verkaufserfolg. Beides wird dem Normalwinzer bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wieder und wieder vor Augen geführt. Ungefragt und ohne jeglichen Bezug zum eigentlichen Gesprächsthema:

Frage Normalwinzer: „Bis du direkt von zu Hause mit dem Auto zu dieser Präsentation (in Tirol) angereist?“

Antwort Möchtegern-Star (ohne dazwischen Atem zu holen): „Nein, ich komme aus Vorarlberg. Dort hat ein anderer Vertriebspartner unseres Weingutes zur Zeit mehrere Präsentationen und während ich hier bin, ist mein Sohn dort. Er hat mir berichtet, daß dort alle Spitzengastronomen der Region an unserem Stand waren. Aber morgen fahren wir beide schon wieder nach Hause, denn wegen Mißverständnissen mit unserem Lohnunternehmer und dem Verkaufsstart Anfang September steht übermorgen die Abfüllung unseres Spitzenweines auf dem Programm, 16.000 Flaschen.“  

Mag sein, daß es dem Möchtegern-Star gar nicht mehr auffällt, oder daß er es anders empfindet. Ich fühle mich durch solche Aussagen belästigt. Wenn ich mich beiläufig nach der Reiselogistik erkundige (ich war mit dem Zug unterwegs), bin ich in keinster Weise daran interessiert mitgeteilt zu bekommen, wieviele Flaschen er von seinem Spitzenwein produziert und welche Hauben-Wirte mit welchen Vornamen seine Weine verkostet und gekauft haben.

Beliebt in diesem Zusammenhang ist auch das Name-Dropping. Dabei werden speziell die Vornamen von Spitzen-Gastronomen und Weinjournalisten sowie kleine Anekdoten in ein Gespräch, das eigentlich ein ganz anderes Thema hat, eingebaut. Der Möchtegern-Star signalisiert damit, daß er „dazugehört“ und mit den Mächtigen des Weines im wahrsten Sinn des Wortes auf Du und Du ist.

Soll der Star-Status im Gespräch mit Normalwinzern noch weiter untermauert werden, kommt eine Steigerungsform zur Anwendung. Dabei zieht der Möchtegern-Star vor Winzern massiv über den einen oder anderen allseits bekannten Journalisten oder Gastronomen her und beweist damit, daß er eigentlich über den Wein-Promis steht und es sich leisten kann, es sich mit diesen (zumindest vermeintlich) zu verscherzen.

Von der Zusammenarbeit mit Winzern hat der Möchtegern-Star eine ganz eigene Vorstellung. Kommt unsereiner an den Ort des Geschehens und merkt, daß die Vorbereitungen für die gemeinsame Weinpräsentation weit hinter dem Zeitplan herhinken, bietet er dem Personal seine Hilfe an, schleppt Tische, verlegt Stromkabel und hilft im Interesse aller bei der Dekoration.

Der Star hingegen kommt spät, bemerkt und kritisiert den Verzug – und bestellt sich erst einmal einen Kaffee. Diesen trinkt er gemütlich aus und knüpft dabei Kontakte mit dem Chef des Hauses (oder nimmt bereits Bestellungen auf). Sind die Vorbereitungen abgeschlossen, erscheint er, ohne ein Wort des Dankes, dafür aber mit vielen guten Ratschlägen, und bereitet seine Weine und sein Werbematerial vor. 

Bei Weinmenüs mit Winzerbeteiligung gibt es zwei Varianten der Star-Allüren. Im ersten Fall drängt der Star die anwesenden Winzer (sinnvollerweise), sich bei der Vorstellung ihres Weingutes und ihres Weines möglichst kurz zu fassen, damit die Veranstaltung für die Gäste nicht zu langatmig wird. Er selbst hält sich natürlich in Folge als einziger nicht daran und langweilt das Publikum nach dem fünften Gang und dem zehnten Wein mit Erklärungen über Unterlagsreben und Bodenbearbeitung.

Variante zwei ist etwas subtiler. Dabei delegiert der Möchtegern-Star komplimentreich die Moderation an einen rhetorisch nicht unbegabten Normalwinzer. Dieser fühlt sich geehrt und verpflichtet, den Wein des Stars möglichst gut zu präsentieren und der Möchtegern-Star sorgt im Small-Talk an den Tischen dafür, daß der Normalwinzer vor allem als Moderator und kaum noch als eigenständiger Winzer mit interessanten
Weinen wahrgenommen wird.

 

Bei all diesen Beobachtungen bleibt eines unklar: Wird man als Winzer erfolgreich, weil man sich so verhält, oder verhält man sich so, weil man erfolgreich ist? Oder haben diese Verhaltensweisen damit gar nichts zu tun und entspechen einfach dem Charakter der jeweiligen Personen?

Dagegen spricht allerdings, daß ich diese Verhaltensweisen bei tatsächlichen „Star“-Winzern weit weniger oft bemerken konnte, als bei denen, die sich nicht in der Weinqualität, sondern nur im Auftreten und im Verkaufserfolg vom Winzer-Fußvolk unterscheiden. Was ein Indiz dafür sein könnte, daß die Möchtegern-Stars Berufskollegen primär als Konkurrenten betrachten, von denen sie sich wenigstens durch das Auftreten unterscheiden wollen, wenn sie das schon nicht über die Qualität im Glas schaffen.

5 Gedanken zu „Das Geheimnis des Erfolges?“

  1. Hallo Bernhard!

    Schöner Artikel! Die von dir beschriebenen Phänomene lassen sich beliebig auf andere Lebensbereiche übertragen. Als Erkenntnis bleibt: Wer echtes Können und Kompetenz besitzt bekommt seine Anerkennung auch dann, wenn er nicht den „Dicken“ raushängen lässt.

    Gruß Pasta

  2. Auf wen Du jetzt anspielst, verrätst Du uns nicht, oder? Ein medienverliebtes Vater-Sohn-Gespann gibt’s ja öfter bei Euch (z.B. FW, HB im Mittelburgenland, oder JP, LK vis-à-vis von Euch), sogar ein Mutter-Sohn-Tandem ganz in der Nähe. Heiß oder kalt?

  3. Die Namen tun nichts zur Sache. Auch wenn der Grund für diesen Beitrag ein konkreter Anlaß war, ähnliche Begebenheiten gibt es zuhauf. Ich habe kein grundsätzliches Problem mit bestimmten Kollegen, mich stört vor allem die allgemeine Tendenz.

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