Der gläserne Wein (10)

In dieser Serie stelle ich, wie im ersten Beitrag angekündigt, jene Weinbehandlungsmittel und -zusatzstoffe ausführlich vor, die in unserem Keller bei der Weinbereitung zum Einsatz kommen. Das Gesamtbild unserer „gläsernen“ Weine entsteht dabei nach und nach in der entsprechenden Beitragskategorie und in Form von Querverweisen zu den einzelnen Teilen dieser Serie unterhalb des ersten Beitrages.

Kaliumbicarbonat

In den allermeisten Jahren sorgt unser pannonische Klima, verstärkt durch den direkten Einfluß des Neusiedlersees für moderate Säuregehalte im Wein. Trockene Sommer bremsen die Säureanreicherung bei Reifebeginn und warme Nächte führen zu einer deutlichen Abnahme des Säuregehaltes der Trauben. (Näheres dazu finden sie hier.)

Manche Jahrgänge, besonders solche mit guter Wasserversorgung und kühlerem Wetter, weisen aber deutlich erhöhte Säuregehalte auf, die in Einzelfällen trotz guter geschmacklicher und ausreichender Zuckerreife unharmonisch erscheinen.

In diesen Fällen kann es ratsam sein, kleine Korrekturen in Form von Entsäuerungen vorzunehmen. Dabei induziert man durch Zugabe von Calciumcarbonat (kohlensaurem Kalk) oder dem von mir bevorzugten Kaliumbicarbonat (auch Kaliumhydrogencarbonat genannt) eine verstärkte Bildung von Weinstein bzw. ähnlichen Kristallen zwischen Calcium und Weinsäure und vermindert so den Säuregehalt.

Das Kaliumbicarbonat zerfällt dabei in Kalium, das auch von Natur aus im Wein vorkommt und via Weinstein wieder aus dem Wein entfernt wird, und CO2, das als Gärungsnebenprodukt auch in allen Weinen zu finden ist und bei der Entsäuerung blubbernd entweicht.

Da die Äpfelsäure, die je nach Jahrgang ein bis zwei Drittel des Gesamtsäuregehaltes ausmacht, nicht mit dem Kalium auskristallisiert, ist das Ausmaß der Entsäuerung durch den Weinsäuregehalt limitiert.

Aus geschmacklichen Gründen (und nicht nur weil es einen gesetzlichen Mindestweinsäurewert gibt), ist es aber ratsam, mit dieser Art der Entsäuerung nur kleine Korrekturen vorzunehmen und nicht den gesamten Spielraum auszuschöpfen. Schließlich gilt die Weinsäure im Wein als (auch geschmackliches) Merkmal für reifes Traubenmaterial.

Größere Entsäuerungen, die besser in Form einer Doppelsalzentsäuerung (pdf) durchgeführt werden sind bei uns aber ohnehin auch in schwachen Jahren nicht erforderlich.

In der Praxis

Erfahrungsgemäß gibt es alle paar Jahre einzelne Weine im Keller, die einen überproportionalen Säuregehalt aufweisen. Je nach Weinstil und Säurewert führe ich in diesen Fällen schon im Most oder später im Jungwein kleine Korrekturen mit Kaliumbicarbonat durch.

Meist bewegen die Entsäuerungen im Bereich zwischen 0,3 und 1,0 g/l, also zum Beispiel von 7,8 g/l auf 7,2 g/l beim Weißwein oder (ganz, ganz selten) von über 6 g/l auf 5,7 g/l beim Roten.

Um ein Gramm Weinsäure als Weinstein zu entfernen benötigt man 0,67 g/l Kaliumbicarbonat (oder Calciumcarbonat).

Fazit

Kaliumbicarbonat verstärkt den natürlichen Weinsteinausfall und kann in beschränktem Ausmaß Weinen zu mehr Harmonie verhelfen, die aus klimatischen Gründen bei guter Reife ungewöhnlich hohe Säuregehalte aufweisen. Wie alle Weinzusatzstoffe und Behandlungsmittel kann es aber keine Wunder wirken und aus unreifen Trauben grandiose Weine zaubern.

Als Bestandteil von Backpulver ist es auch in reiner Form unbedenklich, im Wein zerfällt es zudem in natürlich im Wein vorkommende Verbindungen, die weitestgehend aus dem Wein entfernt werden.

3 Gedanken zu „Der gläserne Wein (10)“

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