Die unendliche Geschichte (2)

Nachdem Ende der 1990er-Jahre das Feld auf diese Weise vorbereitet worden war, präsentierten die die maßgeblichen Weingremien ihr Konzept einer herkunftsorientierten Weinbezeichnung als DIE Lösung für viele echte und behauptete Probleme der österreichischen Weinwirtschaft.

Auch durch die Tatsache, dass es sich dabei um ein Experiment handelt, das einen Bruch mit allen bekannten Weinbezeichnungssystemen darstellt und deshalb durchaus dazu geeignet ist, neue Probleme aufzuwerfen, hielt die Verantwortlichen nicht davon ab.

Die Quadratur des Kreises

„Germanisches“ Weinrecht

Das österreichische Weinrecht definiert (wie auch das deutsche) Qualität in erster Linie über die Traubenreife, die – nicht ganz unumstritten, aber auch nicht völlig falsch – der Einfachheit halber über den Zuckergehalt definiert wird.

Natürlich zählt auch der Hektarertrag, der Geschmack (via obligater Prüfnummernverkostung ab der Stufe Qualitätswein) und die Herkunft (die z.B. beim Qualitätswein wesentlich enger gefaßt ist, als beim Tafel- oder Landwein). Hauptkriterium für die Weinbezeichnung sind aber letztlich trotzdem die Zuckergrade der Trauben.

Damit hat dieses System etwas sehr demokratisches: Es verwehrt keinem Winzer die höchsten Qualitätsbezeichnungen, wenn er in der Lage ist (durch gute Lagen und sorgfältige Arbeit), am Ende des Weinjahres hochreife Trauben zu ernten.

Auf diese Weise fördert es geradezu die Vielfalt an Sorten, Weinstilen und Gebieten und widerspricht damit den gängigen Marketingweisheiten, die auf klare Botschaften drängen.

Um trotzdem eine starke Aussage auf dem Etikett zu haben, stellen die meisten Weinbauern im deutschsprachigen Raum seit Jahrzehnten die Rebsorte in den Vordergrund (wie das beinahe gleich lang auch die Produzenten in den Ländern der neuen Weinwelt tun).

Das „romanische“ Weinbezeichnungsprinzip

In vielen „romanischen“ Ländern sind die Rebsorten dem Konsumenten hingegen weitgehend unbekannt. Die AOC-(Frankreich), DOC(G)- (Italien) und DO-Systeme (Spanien) rücken die Herkunft des Weines ins Blickfeld und machen sie zum wichtigsten Qualitätskriterium.

Natürlich gibt es auch hier zahlreiche ergänzende Vorschriften, aber auch wenn er die alle einhält, kommt ein Winzer an der Herkunft nicht vorbei.

Ein Wein kann noch so gut sein, wenn er nicht aus einer der genau definierten Qualitätsweinregionen stammt, bleiben ihm die höheren Weihen des Bezeichnungsrechtes solange verwehrt, bis sein Gebiet nach jahrzehntelangen Interventionen vielleicht zu einem solchen aufgewertet wird.

Die Qualitätsweine sind bei diesem System aber nicht nur regional exakt definiert, sondern auch was deren Weinstil betrifft. So gibt es innerhalb jeder Herkunftszone mehr oder weniger detailierte Bestimmungen über die Rebsorten, den Schnitt und die Erziehung der Weingärten, die Arbeit im Keller und damit letztlich den genauen Weintyp.

Salopp könnte man also sagen, das das „romanische“ Weinrecht den Gestaltungsspielraum der Weinbauern dramatisch einengt, dafür aber alle Möglichkeiten bietet, den Namen des Weinbaugebietes (Bordeaux, Chianti, Rioja,…) zu einer starken und einheitlichen Marke zu machen.

„Germanische“ Strukturen und „romanische“ Weine

Wie die Praxis zeigt, haben beide Systeme ihre Vor- und Nachteile. Während sich manche Produzenten in Deutschland und Österreich nach den klaren Herkunftsbotschaften von Barolo und Co. sehnen, drängen andererseits nicht wenige Weinbauern in Frankreich und Italien auf eine Lockerung der Vorschriften und die Erlaubnis, zusätzlich zur Herkunft auch die Rebsorte auf dem Etikett angeben zu dürfen.

Davon abgesehen machen sich in allen Ländern immer mehr Produzenten von Markenweine im unteren Preisbereich aber auch die Luxusweingüter ihre eigenen (Markt-)Gesetze, indem sie die Qualität ihrer Weine mit ihren Methoden (Ausstattung, Preis, Werbung,…) kommunizieren und die gesetzlichen Bezeichnungen als notwendiges Übel ins Kleingedruckte verbannen.

Mit dem Versuch, „germanische“ Strukturen in der Produktion mit einer „romanischen“ Herkunftsvermarktung zu kombinieren betritt das österreichische DAC-System seit Ende der 1990er-Jahre echtes Neuland.

Zwar gibt es z.B. im Elsass oder in Südtirol „romanisch“ bezeichnete Herkunftsweine, die auch eine Sortenbezeichnung tragen, allerdings weisen diese Gebiete eine wesentlich geringere Sorten- und Stilvielfalt auf, als Niederösterreich, Burgenland und Co. Anders als in Österreich ist es dort daher möglich, alle Weinsorten ins AOC- bzw. DOC(G)-System zu holen.

Bei uns hingegen werden beide Weinbezeichnungsprinzipien wohl noch lange Zeit nebeneinander exisiteren, da die Weinbaupolitik weder das Ziel noch die Möglichkeiten hat, die gewachsene Weinvielfalt zu reduzieren.

Ob die Versuche, die Bedeutung der herkunftsbezeichneten Weine auf dem Markt und in den Köpfen der Konsumenten durch intensive Bewerbung zu Lasten der sortenbezeichneten Weinvielfalt zu steigern langfristig erfolgreich sein werden, wird die Zukunft zeigen.

Bis dahin ist es durch die Einführung von DAC-Weinen sicher nicht einfacher geworden, die österreichischen Weinbezeichnungen zu durchschauen.

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