Leithaberg DAC (6) – In eigener Sache

In den ersten fünf Teilen dieser Serie habe ich versucht, das neue DAC-Gebiet am Westufer des Neusiedlersees mit all seinen Besonderheiten halbwegs wertfrei darzustellen.

Da auch ich selbst mit meinen Weinen von dieser neuen Herkunftsbezeichnung „betroffen“ bin, möchte ich Ihnen zum vorläufigen Abschluß auch meine ganz persönliche Sicht der Dinge nicht vorenthalten.

Und weil diese einigermaßen zwiespältig ausfällt, bin ich für jede Unterstützung (am besten via Kommentar) bei meiner Meinungsbildung dankbar. Aber der Reihe nach:

Pro…

Auch wenn das DAC-Konzept unser Weinbezeichnungssystem nicht vereinfacht, sondern komplizierter macht, kann ich der herkunftsorientierten Weinbezeichnung grundsätzlich etwas abgewinnen.

Und da nach meinem Verständnis hochwertige Weine besser (oder überhaupt) in der Lage sind, ihre Herkunft schmeckbar zu machen, finde ich die gehobene Positionierung von Leithaberg DAC durchaus sinnvoll (auch wenn man vielleicht noch ein klein wenig nach unten hätte rücken können, um eine größere Breitenwirkung bei Produzenten und Konsumenten zu erreichen).

Die definierten Sorten Blaufränkisch, Chardonnay, Weißburgunder und Neuburger findet meine volle Unterstützung, und mit dem ebenfalls zugelassenen Grünen Veltliner kann ich zumindest leben.

Auch mit dem sicherlich schwieriger festzulegenden Weinstil von Leithaberg DAC kann ich mich im Großen und Ganzen identifizieren. Zum einen, weil er durchaus als Indiz dafür gewertet werden kann, dass man die Herkunftstypizität nicht nur als Marketinginstrument betrachtet. Und zum anderen, weil er sich zum Großteil mit meinem Weinverständnis deckt.

…und Contra

Nicht wirklich glücklich bin ich hingegen mit der Entstehungsgeschichte von Leithaberg DAC, bei der nicht nur für meinen Geschmack zu wenig darauf geachtet wurde, das neue DAC-Gebiet auf eine möglichst breite Basis zu stellen.

Ein Aspekt davon ist die zweifellos nicht unproblematische Übergangsphase von einer kleinen, verschworenen Gruppe zu einer zumindest theoretisch für alle offenen Struktur.

Weit größere Schwierigkeiten macht die aus meiner Sicht suboptimale praktische Umsetzung des DAC-Konzeptes in unserer Region aber durch die Wahl des Namens Leithaberg als Herkunftsbezeichung für das Gebiet am Westufer des Neusiedlersees.

Ich gebe gerne zu, dass es schlechtere Namen gibt. Und vielleicht ist die Tatsache, dass der Begriff bereits auf dem Markt eingeführt ist wirklich ein kleiner Vorteil. Den großen Nachteil, der mit dem Namen Leithaberg verbunden ist, kann das aber nicht aufwiegen:

Beinahe das halbe DAC-Gebiet kann sich nicht oder kaum mit dem Namen Leithaberg identifizieren!

Das Leithagebirge (von dem sich der Name ableitet) ist ein geographisch genau definierter Hügelzug, der keinerlei Tradition als überregionaler Identifikationsbegriff in Sachen Wein hat. Weder Weinkonsumenten, die das Gebiet kennen, noch die Weinbauern selbst verbinden die Gemeinden am Ruster Hügelland (Mörbisch, Rust, St. Margarethen, Oggau,…) und in der Wulkaebene mit dem Leithagebirge.

Selbst gut informierte Weinliebhaber nehmen trotz der vielen Pressemeldungen bisher kaum wahr, dass es bei Leithaberg DAC auch um Oggau, Rust und Mörbisch geht. Genauso, wie sich zahlreiche Winzerkollegen in den genannten Orten  für die Diskussionen in Sachen Leithaberg DAC gar nicht interessiert haben, weil sie im allgemeinen Selbstverständnis der Meinung waren, das hätte mit ihnen nichts zu tun.

Diese Denkweise ist weder feindselig noch eigenbrötlerisch (was uns im Laufe der Diskussionen neben noch weniger netten Dingen immer wieder vorgehalten wurde). Sie ist gegen niemanden gerichtet, sondern schlicht und einfach unser lang gewachsenes Selbstverständnis.

Im Wissen um dieses Empfinden wäre es meines Erachtens nach klüger (und einer breiten Verankerung der DAC-Weine am Westufer des Neusiedlersees dienlicher) gewesen, sich die Zeit für eine gemeinsame Namensfindung zu nehmen.

Die zuständigen Gremien haben aber anders entschieden und deshalb stehe ich in den nächsten Wochen und Monaten vor schwierigen Fragen:

Sind es die positiven Aspekte und der zu erwartende mediale Rückenwind wert, selbst Leithaberg-DAC-Weine zu füllen, auch wenn ich wohl bei jeder Nennung dieses Namens werde kurz schlucken müssen? Wird dieses unwillkürliche innere Widerstreben nachlassen, und wird in einigen Jahren oder Jahrzehnten das Leithagebirge auch für uns selbst zum Symbol für unsere Weine?

Oder ist es besser und ehrlicher, sich angesichts dieser Bedenken nicht mit als fremd empfundenen Federn zu schmücken? Und sich so wie wahrscheinlich die allermeisten Kollegen in unserer Ecke zumindest in den ersten Jahren die Sache nur aus der Ferne anzusehen?

Was meinen Sie?

Ihre Kommentare wären mir wirklich eine Hilfe.

10 Gedanken zu „Leithaberg DAC (6) – In eigener Sache“

  1. Ich glaube der mediale Rückenwind wird sich doch sehr in Grenzen halten. Wem der Leithaberg DAC was bringt kann man auf google suchen wenn man leithaberg eingibt.

    Eins muss man aber sagen: Wine & Partners sind ihr Geld wert.

  2. Der Name ist wirklich unglücklich gewählt. Ein Bezug auf den Neusiedlersee, der ja allen Kennern österreichischer Weine ein Begriff ist, wäre aus meiner Sicht ein „must“ gewesen. Deine Zwickmühle verstehe ich. An deiner Stelle würde ich dem „inneren Widerstreben“ nachgeben und gelassen verfolgen, wie sich die DAC entwickelt. Die Schaffung einer weiteren DAC ist wohl ausgeschlosssen? Grüße, Lars.

  3. Ich hab’s glaub‘ ich irgendwo (hier?) schon geschrieben, Mörbisch, Rust, Oggau etc. haben nichts mit Leithaberg zu tun. Die Ruster haben das erkannt, und nutzen ihre eigene, bereits etablierte Marke. Wie wär’s wenn man „Rust“ (wie auch immer man es nennen möchte) als Marke auch für die Nachbargemeinden nutzt. Oder legen sich da die Ruster quer?

  4. Hallo Bernhard,

    ich kann deinen Zwiespalt gut nachvollziehen. Aus deiner Sicht eines Einheimischen und aus der Historie heraus bietet der Leithaberg zuwenig Identifikation.
    Als Weinkonsument und „Gebietsfremder“ sehe ich aber diesen Widerspruch ganz und gar nicht, da paßt der markante Hügelzug als „reales Bild“ sehr gut.
    Zumal die DAC Leithaberg die Chance bietet, dem herkunftsorientierten System in Österreich Profil zu geben, solange – und hier sehe ich die größere Schwierigkeit – die bisherige Weinstilistik der „Leithabergwinzer“ (grundsätzlich) beibehalten wird.
    Wenn der Stil nun auch deinem persönlichen Weinverständnis entspricht, sehe ich keinen Grund, sich dem Gedanken nicht auch mit einem Wein in deinem Sortiment anzuschließen.

  5. Nun freilich sind Ortsbezeichnungen („Rust“) oder Regionen („Neusiedlersee“) für die touristisch geübteren Kunden mit hohem Wiedererkennungseffekt versehen – aber wie ist denn das mit dem Wein: wurzelt er nicht im spezifischen Grund und Boden und erhält davon (auch) seinen Charakter? Und sind nicht die Jahrmillionen alten Muschelriffe, die sich entlang des Westufers aufwerfen (also am Rande der ehemaligen Insel, die nun das Leithagebirge darstellt) durchgängig bis nach Fertörakos und Balfs, nur vom späteren Leithafluss durchschnitten? Falls mich da mein geologisches Laiendasein nicht trügt, könnte da doch genug Gemeinsames für den Namen sprechen….

  6. Hallo !
    Das man sich als Winzer aus Rust, Oggau nicht mit dem Wort Leithaberg identifizieren kann, liegt auf der Hand.
    Andererseits darf man die regionale Bezeichnung nicht so eng sehen, da die Dörfer ja nicht im Mittelburgenland sind und eine gewisse geographische und klimatische Gemeinsamkeit vorherrscht.
    Viel wichtiger ist doch das Konzept, das hinter dieser Bezeichnung steckt. Bernhard du hast doch selbst gesagt, dass du absolut mit dieser Weinstilistik einverstanden bist, (filigrane, elegante, nicht holzdominante Weine) die versuchen die regionalen Weinsorten und den Boden herauszuarbeiten und dieses Konzept wird ja eigentlich von Leithaberg DAC repräsentiert. Diese Beschreibung trifft doch eigentlich deine Philosophie. Also wieso nicht mitmachen und vom Gesamtmarketing profitieren, ob das jetzt Leithaberg DAC od. sonst irgendwie heißt. Du mußt ja auch nicht deinen ganze Betrieb umstellen umd
    Leithaberg-Weine zu produzieren, also mitmachen und gewinnen :-).
    aNdi

  7. @mhr:
    Ich würde den Rückenwind nicht unterschätzen. Schon bisher hat z.B. die ÖWM die Aufmerksamkeit stark auf die Leithaberg-Gruppe gelenkt, obwohl sie nur eine kleine private Truppe darstellt(e).

    Wenn Leithaberg jetzt auch noch offiziellen Status hat, und man den Hang der Marketing- und Medienleute zu einfachen Botschaften kennt, ist die Befürchtung, dass unser Gebiet künftig nahezu ausschließlich über die DAC-Weine präsent sein wird, nicht so weit hergeholt.

    @Lars:
    „Neusiedlersee“ alleine ist der derzeitige Gebietsname unserer Kollegen am Ostufer und somit seit Mitte der 1980er „vergeben“. Unser Kompromißvorschlag „Leithaberg-Neusiedlersee“ (der eine Verwandtschaft zum bisherigen Gebietsnamen ebenso wie eine starke Anknüpfung an die Leithaberg-Initiative und noch dazu jede Menge Identifikationspotential geboten hätte) wurde von der Gegenseite als zu lang, zu kompliziert und nicht marketingtauglich abgelehnt.

    @Pivu:
    Hier wars: „Was hat z.B. Deine Heimat Mörbisch mit der DAC Leithaberg zu tun? Ich verstehe die Ruster vollkommen und würde gemeinsam mit den nördlichen Nachbargemeinden eine eigene DAC in Angriff nehmen, z.B. für Süßweine, z.B. für “pannonische” Weißweine, z.B. für Blaufränkische. Gerade Rust ist als “Name” etabliert, “Leithaberg” 1. noch nicht und 2. Rust-untypisch.“

    Die Ruster Kollegen haben an die Verwendung ihres Namens für andere Orte und Gebiete keine guten Erinnerungen. Bis 1985 hieß nämlich das gesamte Nord- und Mittelburgenland „Weinbaugebiet Rust-Neusiedlersee“…

    Deshalb wäre selbst die geologisch und geographisch logische Bezeichnung „Ruster Hügelland“ für unsere Gemeinden bei den Rustern wohl nicht durchsetzbar. Und in den umliegenden Gemeinden auch nicht gerade die beliebteste Variante.

    @Vinissimus:
    Dafür, dass die bisherige Stilistik der Leithaberg-Gruppe auch bei den DAC-Weinen weitgehend beibehalten wird, spricht nicht zuletzt die Dominanz dieser Gruppe in den diversen Gremien.

    Schon während der sogenannten Diskussionsphase des DAC-Konzeptes war es auch mit den besten Argumenten und massivem Druck nur in ganz ganz wenigen Fällen möglich, das bisherige Leithaberg-Konzept in Nuancen zu verändern. (Bei der für mich mit dem angestrebten Stil überhaupt nicht kompatiblen Restzuckergrenze der Weißweine (trocken nach Weingesetz bis 9 g/l) ist es z.B. nicht gelungen.)

    Von solchen Kleinigkeiten und dem Namen abgesehen, habe ich damit aber kein Problem. Ich teile nämlich deine Auffassung, dass die DAC Leithaberg die Chance bietet, dem herkunftsorientierten System in Österreich Profil zu geben.

  8. @Erwin:
    Die Sache mit dem Namen ist tatsächlich ein reines „Kopf-Problem“ (deswegen aber nicht minder groß). In den Weinen finde ich genügend Gemeinsamkeiten zwischen Mörbisch und Donnerskirchen, Purbach und Co.

    Ein wenig provokant (und deinem Gedankengang folgend) könnte ich sogar sagen, dass ich unseren Weinen mitunter mehr Gemeinsamkeiten mit manchen Blaufränkischen vom Leithagebirge attestieren kann, als mit vielen aus dem benachbarten Rust. Das liegt möglicherweise daran, dass die Ruster Kollegen ihre Blaufränkischen fast ausschließlich in jenem Teil ihrer Lagen stehen haben, der einen hohen Kalkgehalt aufweist (den es in Mörbisch so gut wie nicht gibt), während am Leithagebirge Blaufränkisch auch auf Schiefer-Quarz-Gneis kultiviert wird.

    @aNdi:
    Im Moment neige ich ganz leicht zu deinem Standpunkt. Aber die Entscheidung fällt mir und meiner Familie wirklich nicht leicht.

    @all:
    Herzlichen Dank für die Kommentare. Wir können die Diskussion gerne noch weiterführen.

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