Von der Traube zum Weißwein, Teil 12

Stabil oder instabil?

Trockene Weißweine, die durch die Zugabe von SO2 vor Oxidation (und ein wenig auch vor unerwünschten Bakterien) geschützt wurden, sind mikrobiologisch weitgehend stabil.

Es kann jedoch auch in diesen Weinen zu chemischen Reaktionen kommen, die, obwohl sie den Geschmack (meist) gar nicht beeinträchtigen trotzdem unerwünscht sind. Zumindest dann, wenn sie erst nach der Abfüllung in Flaschen stattfinden.

Sieht man von sehr selten gewordenen Metalltrübungen ab, bei denen ein ursprünglich klarer Wein durch einen erhöhten Gehalt von z.B. Kupfer aus Messingarmaturen trüb wird, gibt es vor allem zwei Ursachen der Instabilität: Weinstein und Eiweiß.

Weinstein

Kalium und Weinsäure sind zwei wesentliche Bestandteile der Trauben und des Mostes. Beide neigen dazu, sich aneinander zu binden, wobei von den Umgebungsbedingungen abhängt, ob das entstehende Salz löslich bleibt, oder in Kristallform als Weinstein sichtbar wird.

Weil der Weinstein in der wäßrigen Lösung Traubensaft besser löslich ist, als im alkoholhältigen Wein, entstehen bei jedem Wein während und nach der Gärung Kristalle, die sich an Wand und Boden des Behälters anlagern. Stabil sind die Weine erst, wenn sich unter den neuen, alkoholischen Bedingungen wieder ein Gleichgewicht zwischen Kalium und Weinsäure eingestellt hat.

Die Dauer dieses Prozesses hängt von verschiedenen Faktoren ab: Niedrige Temperaturen beschleunigen zum Beispiel den Weinsteinausfall, und eine längere Lagerung auf der Hefe nach der Gärung läßt diese Substanzen an den Wein abgeben, die einen Teil des Weinsteins in Lösung halten und damit die Weine auf natürlichem Weg stabilisieren.

Für Winzer mit kalten Kellern, langer Lagerung auf der Hefe, einer späten Abfüllung und toleranten Kunden, falls sich doch einmal ein paar Kristalle in der Flasche finden ist die Weinsteinstabilisierung deshalb kein besonders großes Thema.

Sollen Weißweine jedoch recht früh in die Flasche gebracht werden, die vielleicht auch noch ein besonders großes Ungleichgewicht zwischen Kalium und Weinsäure z.B. von nicht ganz so reifen Trauben und/oder Entsäuerungen mit Kalium mitbringen, dann gehen die allermeisten Kellermeister kein Risiko ein, und betreiben aktiv die Weinsteinstabilisierung.

Technisch gut ausgestattete Betriebe setzen dabei häufig auf die Kühltechnik und halten den Wein einige Tage oder Wochen wenige Grad über dem Gefrierpunkt. Manchmal werden zur Beschleunigung des Verfahrens auch noch Weinsteinkristalle zugegeben, an die sich das ausfallende Salz der Weinsäure anlagern kann.

Wo das nicht möglich oder gewünscht ist, wird häufig der Zusatz von Metaweinsäure praktiziert. Die Zugabe von 10 g/hl dieser Weinsäureform mit anderer Molekülstruktur kurz vor der Abfüllung stabilisiert die Weinsteinkristalle und verhindert deren Ausfallen.

Weil die Metaweinsäure im Wein aber langsam zu normaler Weinsäure zerfällt, hält die stabilisierende Wirkung (u.a. je nach Lagertemperatur des Weines) nur rund ein Jahr an. Für Weine die länger weinsteinfrei in der Flasche gelagert werden, ist diese Methode deshalb nicht unbedingt praktikabel.

Nicht zuletzt aus diesem Grund wird seit ein, zwei Jahren von den Kellereiartikelfirmen ein anderes Stabilisierungsmittel beworben, Carboxymethylcellulose (CMC). Ähnlich wie Metaweinsäure hält dieses speziell aufbereitete Zellulosepräparat an und für sich unlöslichen Weinstein in Schwebe, anders als diese behält es aber seine Wirkung.

Eiweiß

Neben Weinstein enthält jeder Wein enthält auch eine gewisse Menge pflanzliches Eiweiß. Ein Teil davon neigt dazu, bei höheren (aber durchaus ohne Schaden für den Wein z.B. beim Autotransport erreichbaren) Temperaturen auszuflocken.

Auf diese Weise kann ein ursprünglich strahlend klarer Wein einen mehr oder weniger stark ausgeprägten milchig-weißen Schleier zeigen, der auch nach einer Abkühlung nicht mehr verschwindet.

Wie bei den Weinsteinkristallen auch handelt es sich dabei um ein rein optisches Problem, dass den Geschmack des Weines nicht beeinflußt. Trotzdem versuchen die allermeisten Kellermeister Weinstein und Eiweißtrübungen vorzubeugen, um ihre Kunden nicht zu verunsichern.

Selbst wenn ein direkter Kontakt zwischen Kellermeister und Konsumenten besteht ist es nämlich einigermaßen schwierig, das „Schönheitsproblem“ durch Erklärungen aus der Welt zu schaffen. Und wenn ein oder mehrere Vertriebspartner dazwischen liegen (was zunehmend eher die Regel als die Ausnahme ist), ist es praktisch unmöglich und kann einen Betrieb in echte Schwierigkeiten bringen.

Wie beim Weinstein begünstigt auch beim Eiweiß eine längere Lagerung auf der Feinhefe die Selbststabilisierung des Weines. Trotzdem kommt es auch bei später Füllung zum Beispiel bei bekannt eiweißreichen Sorten wie Grüner Veltliner oder Traminer vor, dass die Laboranalyse noch thermolabiles Eiweiß anzeigt.

Aus diesem Grund nehmen manche Kellermeister wie hier (ungefähr in der Mitte des Beitrages) beschrieben die Eiweißstabilisierung mit Bentonit bereits vor der Gärung im Most vorweg.  Weil man spätere Instabilitäten zu diesem Zeitpunkt noch nicht voraussagen kann, agiert man dabei zwar „ins Blaue“, dafür ist die Behandlung im Most aber schonender, als im fertigen Wein.

Das Schönungsmittel Bentonit ist ein speziel aufbereitetes Tonmineral, dessen Schichtstruktur Eiweiß an sich binden kann. Wie alle Schönungsmittel wird es nach Vorproben zur Ermittlung der notwendigen Dosierung dem Wein zugegeben und nach einiger Zeit (gemeinsam mit dem thermolabilen Eiweiß) durch Abziehen und/oder Filtration vollständig aus dem Wein entfernt.

Ist der Wein eiweiß- und weinsteinstabil, braucht es vor der Abfüllung eigentlich nur noch das Einstellen des SO2-Spiegels, um dem Wein einen gewissen Schutzpolster gegen die Oxidation in die Flasche mitzugeben.

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