Mit einem blauen Auge?

Wie bereits gestern angekündigt, haben wir heute erstmals nach dem großen Regen die Trauben begutachtet, die noch zu lesen sind. Dabei haben wir festgestellt, daß der Schaden durch den Regen im Moment (noch?) nicht so schlimm zu sein scheint.

Selbst der empfindliche, weil dünnschalige Welschriesling sieht in unseren Weingärten weit besser aus, als diese beiden Trauben, die ich in einem Nachbarweingarten gefunden habe:

Welschriesling-Traube mit massivem Botrytisbefall

Welschriesling-Traube mit beginnendem Botrytisbefall

Unseren Zuckermessungen zufolge hält sich der Verdünnungseffekt der Traubeninhaltsstoffe durch die regenbedingt starke Wasseraufnahme der Reben in Grenzen. Das größere Problem des starken Niederschlages der letzten Tage dürfte die Botrytis sein, die aber vermutlich wegen der kühlen Temperaturen auch noch nicht extrem stark auftritt.

Der starke Fäulnisbefall der oberen Welschriesling-Traube läßt vermuten, daß sie bereits vor dem Regen von Botrytis befallen war. Möglicherweise als Folge eines Sauerwurmbefalles. Der Sauerwurm, die zweite Generation des Traubenwickler-Schmetterlings ist eine Raupe, die an den reifenden Trauben frißt und deren Fraßstellen vom Botrytis-Pilz als Eintrittspforten genützt werden können.

Die untere Welschriesling-Traube zeigt jenes Stadium des Botrytisbefalles besonders deutlich, das wir in der Mundart „gliebert“ nennen. Wenn die Trauben lange genug feucht sind, wird die Beerenschale vom Botrytispilz langsam „aufgelöst“, ohne daß man in diesem Stadium den Pilz (als „Pilzrasen“) schon sehen kann.

Diese „Auflösung“ der Beerenschale beginnt mit kleinen braunen Punkten auf der Schale, aus denen von selbst oder bei leichtem Druck auf die Beere Safttropfen austreten. Auch feine Risse in der Beerenschale werden sichtbar ehe bei günstiger Witterung die gesamte Beerenschale einen braun-violetten Farbton annimmt.

In diesem Stadium ist es nicht mehr möglich, eine Beere vom Stiel zu zupfen, ohne diese ungewollt zu zerdrücken. Fällt einem bei der Lese eine „glieberte“ Traube zu Boden, braucht man sich darum nicht mehr zu bücken, weil bereits bei geringstem Druck die Beeren aufplatzen und der Saft austritt.

Die Weine aus solchen Trauben zeigen kaum noch sortentypische Fruchtaromen, sondern werden vom typischen Honigaroma der Botrytis (wenn sie „sauber“, d.h. ohne Essigsäurebakterien und Schimmelpilze vorkommt) geprägt. Bei warmem, windigen Wetter kann durch die fast aufgelöste Schale der Beeren Wasser verdunsten und im gleichen Ausmaß, wie die Erntemenge verdunstet, steigt der Zuckergehalt in den Trauben. Bleibt der Fäulnisbefall sauber und in Grenzen, entstehen so Süßweine von höchster Qualität.

Während bei den (trockenen) Weißweinen ein geringer Anteil von Botrytisbeeren kein Problem für die Weinqualität darstellt, muß der Anteil an fäulnisbefallenen Beeren für hochwertige Rotweine so gering wie möglich sein. Die Auflösung der Beerenschale durch den Pilz zerstört nämlich nicht nur die Fruchtaromen, sondern auch Farbstoffe und Tannine. Und die Enzyme, die die Botrytis freisetzt, führen zu einer Braunfärbung des Weines.

So wichtig es ist, Botrytis bei Rotweintrauben zu vermeiden, so schwierig ist sie im Frühstadium zu erkennen. Auf den dunkelblauen Beeren sind die ersten Anzeichen nur sehr schwer auszumachen, wie wir heute wieder einmal in unseren Blaufränkisch-Weingärten festgestellt haben.

Blaufränkisch-Beere mit Botrytis im Anfangsstadium

Die Beere in der Mitte dieser Traube hat einen kleinen, kaum sichtbaren Riß in der Schale. Damit man ihn überhaupt auf dem Foto sieht, habe ich ihn durch ein leichtes Quetschen der Beere mit den Fingern vergrößert. Alle anderen Beeren dieser Traube sind noch fest und knackig.

Blaufränkisch-Traube mit Botrytis im Anfangsstadium

Hier sieht man recht schön, aber auch erst bei genauem Hinsehen, einen kleinen Safttropfen, der von alleine durch die aufgeweichte Schale ausgetreten ist.

Aus den Erfahrungen mit extremen Botrytisjahrgängen wie 1995 und 1996 wissen wir, daß sich in diesem Stadium die Qualität der Trauben binnen weniger Tage dramatisch verschlechtern kann. Deshalb haben wir den Blaufränkisch heute besonders gut unter die Lupe genommen und dabei in einem Weingarten diese relativ deutlichen Symptome gefunden.

Und weil beim Rotwein im Zweifelsfall Gesundheit vor Reife geht, werden wir diesen Weingarten am Montag lesen. Der Lage, dem Ertrag und dem Alter der Reben nach sollte es ursprünglich eigentlich unser bester Blaufränkischer werden, und so wie die Trauben zum allergrößten Teil aussehen und schmecken, ist das auch immer noch möglich.

Vielleicht stellt aber der Regen die Hierarchie auch auf den Kopf, denn die anderen Blaufränkisch-Weingärten zeigen (noch) keine Botrytis-Vorzeichen und bleiben zumindest ein paar Tage länger hängen, in denen sie qualitativen Boden gut machen könnten, wenn das Wetter danach ist. Das gilt übrigens auch für den dickschaligen Cabernet Sauvignon.

7 Gedanken zu „Mit einem blauen Auge?“

  1. Dann werde ich Dir mal ganz feste die Daumen drücken, dass du deine Ernte unbeschadet nach Hause bekommst. Erinnert mich an letztes Jahr bei uns. Die Trauben sind schneller weggefault wie wir ernten konnten. Mal schauen was mir noch passiert. Bis jetzt ist noch alles gesund und am Stock, aber Regen könnte fatal werden.

    Viele Grüße von der Mosel

    Harald Steffens

  2. Danke fürs Daumendrücken, aber im Moment scheinen wir wettermäßig einfach kein Glück zu haben.

    Entgegen der Wettervorhersage herrscht heute Sonntag perfektes Botrytiswetter: Eine Spur wärmer als zuletzt, weitgehend windstill und von Zeit zu Zeit ein paar Regentropfen.

    Halbwegs stabiles Hockdruckwetter ist weit und breit nicht in Sicht, und ich denke, wir werden auch die anderen Blaufränkisch-Weingärten so rasch wie möglich nach Hause holen.

    Grüße

    Bernhard

Schreibe einen Kommentar

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.