Reif, unreif, überreif?

Blaufränkisch

In frühen und heißen Jahren wie heuer ist es nicht immer einfach, den optimalen Lesezeitpunkt zu finden.

Manchmal wird mit Blick auf den Kalender zu lange zugewartet, weil es noch „zu früh“, und die Wettervorhersage günstig ist. Nicht selten wird aber auch zu früh gelesen, weil die Zuckergradationen bereits sehr hoch und die Säurewerte auf dem Weg in den Keller sind.

Diese Vorgangsweise sichert den Weinen zwar eine angemessene Balance zwischen nicht zu hohem Alkohol und noch gut strukturierender Säure, aber wenn man nicht aufpaßt, geht das auf Kosten der Aroma- und Tanninreife.

Die hinkt in Hitzejahren nämlich den Zuckergraden manchmal hinterher, weil sie weniger von der Temperatur während der Traubenreife als von der Zeitdauer seit der Blüte abhängt.

In Jahren mit gemäßigten Spätsommertemperaturen gelingt es normalerweise recht gut, ein Zeitfenster für die Ernte zu finden, in dem die verschiedenen, recht komplexen Reifeprozesse der Traube in einem optimalen Stadium sind.

Verläuft die Zucker- und Säurereife aber stark beschleunigt ab, so wie heuer, ist die Entscheidung zur Lese keine eindeutige Sache, sondern ein ziemlich schwieriger Kompromiss.

Wie viel mögliche Unreife in Aroma nehme ich in Kauf, um breite, schwere Alkoholbomben zu vermeiden? Wie breit und weich darf der Wein werden, wenn dafür die Tannine perfekt entwickelt sind? Wo endet die Unreife? Und wo fängt die Überreife an?

Trotz dieser Schwierigkeiten war die Sache bei den Weißweinen heuer eigentlich recht klar. Wie hier beschrieben, sind die Säurewerte in den meisten Weingärten nicht zu stark abgesunken, und die Trauben waren nach eingehender Begutachtung und Verkostung bei der Lese auch eindeutig geschmacksreif.

Etwas länger als bei den weißen Frühsorten hat es beim Zweigelt gedauert. Anders als in den meisten Jahren haben wir ihn deshalb heuer auch nicht parallel mit dem Muskat Ottonel geerntet, sondern den Kernen noch eine Woche Zeit zur Tanninreife gegeben.

Beim Cabernet Sauvignon war ich mir eigentlich auch recht sicher. Obwohl ungewöhnlich früh und (für das heurige Jahr eher untypisch) bei relativ moderater Zuckergradation haben wir heute mit der Ernte begonnen, und werden sie morgen abschließen. Die Traubenkerne schmecken nicht mehr bitter, lösen sich leicht aus dem Fruchtfleisch und die Beeren weisen nicht einmal mehr einen Hauch von „grünen“ Paprikaaromen auf.

Nicht ganz so eindeutig ist die Lage beim Blaufränkisch. Zucker, Säure und pH-Wert sind optimal und auch der Geschmack der Trauben ist gut. Allerdings klebt das Fruchtfleisch in den meisten Beeren noch sehr gallertig an den Kernen, und sollte sich zumindest nach der Lehrmeinung noch verflüssigen.

Weil bis dahin aber möglicherweise einiges an Eleganz und Struktur verloren gehen könnte, haben wir gestern und heute die Trauben für unseren „normalen“ Blaufränkisch gelesen, um auf Nummer sicher zu gehen und bei diesem „Alltagswein“ jeden Hauch von Üppigkeit und Schwere zu vermeiden.

Mit dem besten Weingarten pokern wir aber noch ein wenig in der Hoffnung, dass das prognostizierte Wetter uns noch ein Quentchen Reife (und einen flüssigeren Beereninhalt) schenkt, ohne in den Bereich der Überreife zu kommen.

8 Gedanken zu „Reif, unreif, überreif?“

  1. Hi Bernhard!

    Braucht der BF immer länger als der Cabernet? Und wie sieht es grundsätzlich mit der CS-Qualität heuer aus? Zum beispiel im Vergleich zum 2009er? Obwohl das sicher schwer zu sagen ist zu diesem zeitpunkt 😉

    gute weitere Lese wünsch ich!

  2. Hallo Bernhard

    dass war ein sehr interessante erklärung , auch als wein genieser um zu versuchen zu verstehen wie dass alles zusammenhängt.
    Habe probiert dass ein wein ein richtig gutes aroma hat aber dan fehlt es an gemsmack.

    Gute weitere lese
    aus Dänemark

  3. @Branko:
    Meistens ist der Blaufränkisch doch einige Tage vor dem Cabernet soweit, aber es kommt auch immer wieder vor, dass wir einen (kleinen) Teil des Blaufränkischen (meist aber nur ein paar Tage) nach dem Cabernet ernten.

    Ohne das Archiv zu konsultieren würde ich aus dem Bauch heraus sagen, dass das wohl eher in den Hitzejahren, als in den eher kühleren der Fall ist.

    Was die Qualität des Cabernet betrifft, so bin ich sehr guter Dinge. Zucker, Säure und pH-Wert (18,5-7,0-3,45) sind vielversprechend und die Reife von Schalen und Kernen war sehr gut (d.h. unter anderem nicht unangenehm bitter und weitestgehend frei von grünem Paprika).

    Ob und wie er sich mit dem 2009er oder anderen vergleichen läßt, wage ich aber noch nicht zu sagen.

    Grüße

    Bernhard

  4. Hallo Bernhard,

    haben diese Woche (5.10.) den Cabernet gelesen mit 21 KMW, die Trauben waren freigestellt hatten also jetzt wirklich viel Sonne. Die Schattenseite hatte aber immer noch ein wenig grasige Töne dabei. Ebenso der Sauvignon Blanc bei 22 KMW. Alkohol Tsunami lässt grüßen und das bei nicht wirklich später Lese und moderatem aber nicht extrem niedrigem Ertrag.

    lg aus dem Weinviertel
    BC

  5. Hallo Christoph,

    ich mache einfach irgend etwas falsch. Unser Cabernet (sonnseitig ebenfalls stark freigestellt) hatte nur 18,5°KMW, was bei 30 hl/ha aber wohl nicht am Massenertrag liegen kann. Allerdings war er als Traube und ist als Wein kein bißchen grasig.

    Sauvignon haben wir nicht, aber abgesehen von einer Chardonnay-Charge mit etwas über 20° liegen wir (v.a. bei Weißburgunder und Chardonnay) zwischen 18 und knapp 20°KMW.

    Besonders freue ich mich angesichts des heurigen Wetterverlaufes auch über einen Grünen Veltliner mit knapp über 16°KMW (d.h.11 bis 11,5% Alkohol) und wunderschön rassiger Säure, der trotzdem kein bißchen unreif wirkt.

    Dass unsere Reben warumauchimmer weniger Zucker bilden, als die von manchen Kollegen ist mir ja aber nicht neu. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass mit dem Jahrgang 2011 die Alkohol-Welle wieder rollt.

    Grüße ins Weinviertel

    Bernhard

  6. Hallo Bernhard,

    haben gestern auch einen leichten GV gelesen 17 KMW von unserer Minimalschnittanlage. Nur der Ertrag war für einen Qualitätswein etwas zu hoch. Umgerechnete 20.000 kg/ha.
    lg
    Christoph

  7. Hallo Bernhard,

    wenn du beim GV von rassiger Säure sprichst, viel wird der dann bei der Flaschenfüllung ungefähr haben?

    Schöne Grüsse Roland

  8. Hallo Roland,

    das kann man natürlich im Moment nur schätzen, weil die Veränderungen während der Gärung (Weinsteinausfall, Säurebildung und -abbau) jedes Jahr ein wenig anders sind.

    Wahrscheinlich werden wir wohl in jenem Bereich liegen, in den wir den 2010er (geringfügig um ein paar Zehntel g/l) hinentsäuert haben. Also irgendwo zwischen 6,5 und 7 g/l.

    Grüße

    Bernhard

Schreibe einen Kommentar

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.