Ein Sieg der Vernunft

Straßenausbau zwischen Mörbisch und Rust

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich hier über den geplanten großzügigen Ausbau der Bundesstraße B52 zwischen Mörbisch und Rust berichtet und unsere Argumente dagegen ausführlich erläutert. Seither hat sich viel getan:

Der Großteil der Grundstücksbesitzer entlang der Straße hat die für den Ausbau notwendigen Flächen aus Gleichgültigkeit, Obrigkeitshörigkeit, sozialem Druck oder Überzeugung recht rasch abgegeben.

Anschließend unternahm die Straßenbauabteilung der burgenländischen Landesregierung mehrere Versuche, auch jene rund 15 Weinbauern zum Verkauf zu bewegen, die den Straßenausbau aus (landschaftsschützerischen und anderen) prinzipiellen Überlegungen ablehnen.

Enteignungsverfahren

Diese Versuche blieben jedoch erfolglos, weil dabei in keinster Weise auf unsere Argumente eingegangen wurde. Aus diesem Grund wurde Ende September ein Enteignungsverfahren eingeleitet, um uns rechtlich zum Verkauf der benötigten Flächen zu „zwingen“.

Nachdem unsere Einwände während der jahrelangen Diskussions- und Planungsphase niemals zur Kenntnis genommen wurden, war die Enteignungsverhandlung Anfang Oktober die erste Gelegenheit, unsere Argumente mündlich und schriftlich an geeigneter Stelle zu deponieren.

Meine Zeilen vom Jänner spielten dabei nicht nur auf unserer Seite eine große Rolle: Die Herren von der Landesregierung haben nämlich ihre Hausaufgaben gemacht und erschienen – welche Ehre – mit einem Ausdruck meines Blog-Beitrages zur Verhandlung!

Mit sachlichem und geschlossenem Auftreten gelang es unserer Gruppe dabei erstmals, bei dem einen oder anderen Beamten den Funken eines Zweifels zu entfachen. Auch wenn es noch lange keinen Grund zum Optimismus gab, war bald klar, dass dieses Enteignungsverfahren nicht so einfach von heute auf morgen in einen Enteignungsbescheid münden würde.

Zu groß war die Anzahl der zu Enteignenden (in Relation zu jenen, die freiwillig verkauft haben), zu geschlossen deren Auftreten (samt der erklärten Absicht, einen allfälligen Enteignungsbescheid beim Verwaltungsgerichtshof anzufechten), zu „unfinanziell“ deren Gründe, zu heikel das Rechtsmittel der Enteignung an sich, zu unbedeutend das Projekt „Güterweg“ in Relation zu Autobahnen und überregionalen Schnellverbindungen um dafür eine Enteignung durchzuführen.

Gute Argumente, Glück und Lobbying

In dieser Phase zwischen Anfang Oktober und Ende November haben wir (und ich erlaube mir zu sagen: mit meinem nicht ganz unbedeutenden Beitrag 😉 ) versucht, die leisen Zweifel an dem Projekt durch Lobbying weiter zu schüren:

Erst durch uns haben zum Beispiel die Ruster Winzerkollegen davon erfahren, was in ein oder zwei Jahren auf sie zukommt und uns prompt und wirksam unterstützt.

Der erste Bauabschnitt liegt nämlich ausschließlich auf Mörbischer Gemeindegebiet, und obwohl die Straße erklärtermaßen innerhalb der nächsten Jahre bis Rust ausgebaut werden soll, waren davon weder die Stadtgemeinde Rust noch die betroffenen Grundstückseigentümer informiert.

Auch das Österreich-Büro der UNESCO wurde von uns kontaktiert, und darauf hingewiesen, dass der Straßenausbau nach unserem Verständnis nicht mit den Zielen der Weltkulturerberegion Neusiedlersee zu vereinbaren ist. Ganz im Sinn der UNESCO und des Welterbe-Vereines Neusiedlersee haben wir nämlich für „unser“ Welterbe ein Bewußtsein entwickelt und sorgen uns nämlich um die Pflege des Landschaftsbildes.

Daneben haben wir auch versucht, über landwirtschaftliche Interessensverbände, über politische Kontakte und den Vorschlag eines Mediationsverfahrens die Landesregierung vom Straßenausbau abzubringen.

Alle diese Anläufe schienen den zuständigen Landesrat Helmut Bieler jedoch kaum zu beeindrucken. Bei einem von uns angestrebten Gesprächstermin am 8. November gab er sich recht entschlossen und zweifelte daran, dass wir nicht aus wirtschaftlichen oder finanziellen Interessen sondern primär aus landschaftlichen Gründen gegen den Ausbau sind.

Grund zum Optimismus

Umso überraschender war die Stellungnahme von Landesrat Bieler nur einen Monat später am 12. Dezember. Auf die offizielle Anfrage des Landtagsabgeordneten Paul Fasching zum Thema Straßenausbau mit Begleitwegen zwischen Mörbisch und Rust antwortete er (sinngemäß, das Wortprotokoll der Sitzung ist noch nicht online):

„Es wird keine Begleitwege geben!“

Trotz dieser klaren Aussage in aller Öffentlichkeit blieben bei uns leise Zweifel. Sollte es am Ende wirklich so einfach (natürlich nur im Vergleich zu unseren schlimmsten Erwartungen) gewesen sein?

Ende gut, alles gut (?)

Am 15. Jänner erschien in der Burgenlandausgabe des Kurier dann dieser Artikel. Darin heißt es:

Zuerst stemmten sich einige Weinbauern dagegen, dann war es der Gemeinde Mörbisch zu teuer: Die Sanierung der B52 zwischen Rust und Mörbisch wird später als geplant und weniger umfangreich umgesetzt.

Da Straßenbau-Landesrat Helmut Bieler (SP) nicht gegen Anrainer entscheiden wollte, wird „die B52 nun am Bestand saniert, wir adaptieren das Projekt“, erklärt Johann Godowitsch, Leiter der Straßenbauabteilung des Landes.

Auch wenn wir als Betroffene (mit einem schwebenden Enteignungsverfahren, das auch im Grundbuch vermerkt ist) „offiziell“ noch keine Infos haben, dürfte damit wohl klar sein, dass in Sachen Straßenausbau die Vernunft spät aber doch gesiegt hat.

Die Lehre, die ich daraus ziehe ist, dass man mit guten Argumenten, geschlossenem Auftreten und der (nicht nur aber auch lobbying-bedingten) Unterstützung von Freunden und Institutionen auch gegen den massiven Widerstand vieler Seiten etwas erreichen kann.

Mit dieser Erkenntnis nimmt die ganze Geschichte ein versöhnliches Ende. Zumindest beinahe, denn der Gedanke daran, wieviel Mühe und Geld man hätte sparen können, wenn man schon vor mehr als zehn Jahren unsere Argumente ernsthaft zur Kenntnis genommen und berücksichtigt hätte, anstatt wieder und wieder in Projekte, Veranstaltungen, Pläne, Gutachten und Verwaltungsverfahren zu investieren will mich einfach nicht loslassen…

2 Gedanken zu „Ein Sieg der Vernunft“

  1. Für mich wird in diesem Beitrag sehr schön klar, wie mittlerweile die Landwirtschaft selbst Verantwortung zur Wahrung ökologischer (und somit kultureller) Ressourcen übernommen hat – ganz entgegen den früheren Vorwürfen der gewinnorientierten Ausbeutung. Andererseits läuft es mir immer wieder ganz kalt über den Rücken, wie bedenkenlos politisch erkorene Lokalfürsten im naiven Glauben an scheinbar unbegrenztem „Fortschritt“ (was immer das sein sollte) noch die letzten Zeugen einer Landschaftsgeschichte begradigen, entfernen und ersetzen wollen. Damit wird eine Region bereits mittelfristig in jeder Hinsicht charakterlos und uninteressant (indem das spezifische „Terroir“ wegnivelliert wird). Danke für den Einsatz! Liebe Grüße: Erwin

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