Rebschnitt (2)

Wie bereits angekündigt, widme ich mich in meinem zweiten Blog-Winter auch dem Rebschnitt. Unterhalb des ersten Beitrages entsteht nach und nach ein Überblick über die gesamte Serie in Form von Querverweisen zu den einzelnen Teilen.

Rebschnitt, warum?

Das Schneiden der Reben ist eine der (zeit)aufwändigsten Tätigkeiten im Weingarten. Um verstehen zu können, warum die Winzer diese Arbeit Jahr für Jahr auf sich nehmen, ist es notwendig, sich ein klein wenig mit der natürlichen Wuchsform der Weinreben zu befassen.

Reben sind Kletterpflanzen, die sich in freier Wildbahn an Bäumen und Sträuchern emporranken. So lange sie im Schatten wachsen, treiben nur wenige Knospen (Augen) der Weinreben aus und bilden wenige, aber sehr kräftige Triebe aus, um rascher ans Licht zu kommen. Einmal dort angelangt, verteilen sie ihre Energie auf viele Augen und bilden eine Vielzahl mittelkräftigen, aber auch schwächeren Trieben mit ebensolchen Trauben.

Über Jahre führt dieser verzweigte Wuchs zu gegenseitiger Beschattung, die immer wieder Teile des Rebstockes absterben oder zumindest verkahlen läßt. Darunter versteht man, dass diese Teile zwar nicht absterben, aber keine jungen Triebe mehr bilden können.

Konzentration auf das Wesentliche

Natürlich lassen sich auch von solchen Weinreben Trauben ernten, aber eine gezielte, systematische Form der Traubenproduktion ist unter diesen (Wuchs)Bedingungen kaum möglich. Aus diesem Grund versucht der Winzer mit dem (Rück)Schnitt, den Stock auf vergleichsweise wenige Augen zu beschränken und ihn damit zu zwingen, seine Energie auf diese zu konzentrieren.

Die Triebe, die daraus wachsen, entwickeln sich dementsprechend kräftig und bringen wenige, aber vernünftig große Trauben zu einer guten Reife. Darüber hinaus sorgen die meisten Schnittsysteme auch dafür, dass alle Triebe vergleichbare und optimale Bedingungen vorfinden.

Sie sind gut verteilt, behindern einander nicht und haben eine ähnliche Stellung am Stock, was neben einem gleichmäßigeren Wachstum auch eine gezieltere Laubarbeit ermöglicht. Unter anderem dadurch, dass die Trauben sind nicht kreuz und quer über den ganzen Weinstock verstreut sind, sondern sich auf eine „Traubenzone“ (meist in einer „ergonomischen“ Höhe zwischen 80 und 130 cm) beschränken.

Einstellung des Ertragsniveaus

Die Intensität des Rückschnittes hat natürlich auch Auswirkungen auf den späteren Traubenertrag. Läßt der Winzer 8 Augen stehen, wachsen daraus (grob verallgemeinert) voraussichtlich 8 Triebe mit durchschnittlich zwei, d.h. insgesamt 16 Trauben.

Bleiben dem Stock aber 16 Augen, darf sich der Winzer auf voraussichtlich 32 Trauben freuen, die zwar wahrscheinlich etwas kleiner sind, aber immer noch deutlich mehr Ertrag bedeuten.

Dieser lineare Zusammenhang gilt allerdings nur im mittleren (d.h. „normalen“) Bereich der Schnittstärke. Bei extrem schwachem (d.h. wenige Augen belassendem) und bei extrem starkem (d.h. viele Augen belassendem) Schnitt sind die Auswirkungen auf den Ertrag meist weit weniger ausgeprägt.

Bleiben dem Rebstock (zu) wenige Augen, dann hängen an den daraus wachsenden Trieben oft überdurchschnittlich viele Trauben, die meist auch noch besonders groß werden. Und läßt man (zu) viele Augen stehen, reicht die Kraft der Rebe nicht aus, um alle austreiben zu lassen.

Das bedeutet, dass qualitätsorientierte Niedrig(st)erträge heutzutage mit dem Rebschnitt allein nicht zu schaffen sind. Neben nicht ausreichend niedrigen Erntemengen und unerwünscht übergroßen Trauben mit ebensolchen Beeren führt ein schwacher Schnitt auch zu wenigen Trieben mit wenigen Blättern, deren Photosyntheseleistung nicht ausreicht, um Spitzenqualitäten zu erzielen.

Aus diesem Grund ist der Rebschnitt heute oft nur eine grobe Voreinstellung des Ertrages und das Feintuning erfolgt im Rahmen mehrere Laubarbeitsdurchgänge bis knapp vor Reifebeginn.

Neben einer mehr oder weniger starken Ertragsreduktion führt der Rebschnitt auch zu gleichmäßigeren Erträgen über die Jahre. Außerdem sind geschnittene Reben langlebiger, weil sie durch das Zurückschneiden einerseits jährlich zu kräftigem Wachstum angeregt, andererseits aber vor Überbelastungen geschützt werden.

Individuelle Stockpflege

Ein guter Rebschnitt geht auf den einzelnen Stock ein und berücksichtigt seinen Zustand. An der Triebentwicklung des Vorjahres läßt sich ablesen, ob die Weinrebe gesund, gut versorgt und auch im heurigen Jahr entsprechend belastbar ist.

Oder ob sie geschwächt wirkt und ihr beim Rebschnitt für das neue Weinjahr weniger Augen aufgebürdet werden sollten, damit sie leichter wieder zu Kräften kommt.

Das verlängert nicht nur die Nutzungsdauer des Weingartens, sondern trägt auch zu einer gleichmäßigeren (und damit höheren) Traubenqualität bei.

2 Gedanken zu „Rebschnitt (2)“

  1. Guten Morgen !
    Anscheinend eine „heikle“ ganz entscheidende Rolle spielt der Rebschnitt für das heranbrechnede Jahr und auch für die nächsten Jahre des Rebstocks.
    Vertraust du auf das Geschick anderer, delegierst du, od. schneidest du mit deinen Personen deines Vertrauens „Papa, Verwandte ?!“. Alleine ist ja die Arbeit doch zeitlich fast nicht durchführbar, beziehungsweise ab welcher Größe ist der Rebschnitt nicht mehr durch den Chef des Hauses zu bewerkstelligen ?

    Gut Schnitt, od. so ähnlich, …..
    wünscht
    aNdi

  2. Hallo Andi!

    Den Rebschnitt geben die Winzer tatäschlich nur sehr ungern aus der Hand, was dadurch erleichtert wird, dass es sich dabei zwar um eine aufwändige Tätigkeit handelt, aber auch um einen langen Zeitraum, in dem sie erledigt werden kann.

    Bei uns schneidet mein Vater den allergrößten Teil unserer Reben und den Rest ich. Je nachdem wie viele Arbeiten die Person zwischen Jänner und März sonst noch im Betrieb zu erledigen hat, kann man pro Arbeitskraft also zwischen 5 und 15 Hektar kalkulieren.

    Diese Zahlen gelten allerdings nur für das tatsächliche Schneiden. Das Entfernen der Triebe aus dem Drahtrahmen dauert je nach Sorte und Erziehungssystem etwa genausolang oder sogar länger. Das erledigt bei uns zum Teil ein maschineller Vorschnitt (dazu später mehr in der Serie) und zum Teil unsere (Weinlese-)Hilfsmannschaft.

    Mit dem Schnitt der Ertragsweingärten sind wir mittlerweile so gut wie fertig. Im Moment sind die zweijährigen Jungreben dran, die heuer ihren ersten Ertrag bringen sollen.

    Grüße

    Bernhard

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