Weinbezeichnungsgedöns

 Vinocamp Deutschland
Wie hier bereits ausführlich erklärt, haben Deutschland und Österreich bei allen Unterschieden auch sehr viele Gemeinsamkeiten in Sachen Wein. Grund Genug für eine Session beim Vinocamp 2012.

Angesichts des straffen Zeitplanes habe ich mich dabei auf die Weinbezeichnungssysteme beider Länder konzentriert, und dafür prompt den Session-Titel „Weinbezeichnungsgedöns“ verliehen bekommen. Hier nun der Versuch einer kurzen Zusammenfassung:

Germanisches Weinrecht,…

Im Unterschied zu Frankreich, Italien und Spanien wird in Deutschland und Österreich die Weinqualität weniger über die Herkunft der Trauben, als über ihre Reife definiert. Wenn der Most einen gewissen Zuckergehalt erreicht (und einige andere Dinge erfüllt sind), gilt der daraus gewonnene Wein als Qualitätswein, Kabinett, Spätlese, etc. – (beinahe) egal, wo die Trauben gewachsen sind.

Anders als im romanischen Weinrecht gibt es dabei auch kaum Einschränkungen hinsichtlich des Weinstils, was eine bunte Vielfalt an Rebsorten und Geschmacksrichtungen zur Folge hat. Süße Qualitätsweine ebenso, wie trockene Spätlesen und umgekehrt. Leichte Kabinette mit vergleichsweise wenig Alkohol und solche mit 13,5 Prozent.

Während das für die einen gewachsene Weinkultur und eine große Auswahlmöglichkeit für den Konsumenten darstellt, ist dieses System für die anderen längst nicht mehr zeitgemäß und macht den Weineinkauf für Otto Normalweintrinker unnötig kompliziert.

Obwohl auch die „Bewahrer“ gute Argumente haben (wie bei der Diskussion unter den Session-Teilnehmern zu hören war), gibt es sowohl in Österreich als auch in Deutschland deutliche Bestrebungen, das die traditionelle Form der Weinbezeichnung zu ändern.

…die unterschiedlichen Änderungsversuche…

Die Mehrzahl der österreichischen Weinbauern verzichtet z.B. schon seit längerer Zeit auf die Bezeichnung „Spätlese“, wenn es sich nicht um einen süßen Wein handelt (was übrigens wie auch die Geschmacksrichtungen „trocken“, „halbtrocken“ und „lieblich“ im Unterschied zu Deutschland verpflichtend auf den Etiketten anzugeben ist).

Und weil die Qualitätsbezeichnung „Kabinett“ in der Praxis kaum noch verwendet wird, firmieren fast alle trockenen heimischen Weine unter dem Label „Qualitätswein“ (natürlich nur sofern sie die dafür notwendige Mindestqualität aufweisen).

Auf gesetzlicher Ebene wurden bereits vor 10 Jahren die Weichen für die Einführung von „Herkunftsweinen“ im „romanischen“ Sinn parallel zum ansonsten auch weiterhin „germanischen“ Weinbezeichnungssystem gestellt. So kann jedes Weinbaugebiet seinen Namen mit einigen wenigen relativ klar definierten DAC-Weintypen verknüpfen.

Für den Rest der dort produzierten Weine bleibt dann nur noch eine größer gefaßte Herkunft, also z.b. Leithaberg DAC für besonders gebietstypische Weine, Weinbaugebiet Burgenland für die Sortenvielfalt. (Die ganze unendliche DAC-Geschichte gibt es ab hier.)

In Deutschland gab und gibt es auch gesetzliche Ansätze, das Bezeichnungsrecht zu ändern und zu vereinfachen. So wurden z.B. vor ein paar Jahren die Weintypen „Classic“ und „Selection“ definiert, die sich jedoch nicht auf dem Markt durchsetzen konnten.

Parallel dazu arbeitet der Verband der Prädikatsweingüter an einer eigenen, privaten Vereinfachung, deren vier Qualitätsstufen nicht (nur) über den Zuckergehalt der Trauben definiert werden. Durch den Verzicht auf Lagenangaben (die in Deutschland anders als in Österreich auf den Weinetiketten fast allgegenwärtig sind) bei einfacheren Weinen soll die Herkunft in Form der Weingartennamen wieder zu einem glaubwürdigen Merkmal für höhere Weinqualität werden.

Weil solche Änderungen (wie übrigens auch die Einführung des DAC in Österreich) allerdings nur im bestehenden System und mit zahlreichen Ausnahmen möglich sind, und dieses nicht ersetzen, führen sie zwangsläufig zu komplizierteren Verhältnissen in Sachen Weinbezeichnung.

Nur in der Anfangszeit, sag(t)en die einen nicht nur bei der Vinocamp-Session. Dauerhaft mein(t)en die anderen in Geisenheim und auch anderswo.

…und die Frage nach dem Sinn

Nicht zuletzt, weil es in Frankreich und Italien gegenläufige Entwicklungen gibt (die z.B. auf eine größere Rebsortenvielfalt und die Erlaubnis zur Angabe der Rebsorte auf dem Etikett drängen) war auch schon vor dem Vinocamp klar, dass es kein ideales Weinbezeichnungssystem gibt und Änderungen langjähriger Systeme immer schwierig sind.

Der Sinn der Session lag daher auch nicht in er Suche nach einer Lösung, sondern im Kennenlernen fremder und im Hinterfragen der eigenen Argumente in dieser Diskussion. Dass das trotz spannendem Alternativprogramm im letzten Zeitfenster vor der Heimfahrt so gut funktioniert hat, freut mich ganz besonders.

Herzlichen Dank an alle Teilnehmer!

Schreibe einen Kommentar

Time limit is exhausted. Please reload the CAPTCHA.