Hausverstand

Während in vielen Kellern bereits die Filter auf Hochtouren laufen, um die jungen, hefetrüben Weißweine blitzblank zu machen, reifen sie (nicht nur) bei uns noch einige Zeit in ihrem milchig-weißen Rohzustand. Schließlich können die in Schwebe befindlichen Hefezellen das Geschmacksbild der Weine positiv beeinflußen und schützen den Wein auf natürliche Art vor zu viel Sauerstoffeinfluß.

Eine frühe Filtration erfordert mehr Aufwand (z.B. in Form von höherem Druck) und belastet die Weine deshalb deutlich stärker. Fruchtaromen und natürliche Gärungskohlensäure gehen verloren, was durch die meist frühe Abfüllung solcher Weine nur zum Teil wettgemacht werden kann.

Weil wir die Weißen länger und trüb reifen lassen, bringen wir sie normalerweise erst zwischen Ende Jänner und Mai in die Flasche. Und in den selten Fällen, in denen wir eine kleine Teilmenge einer Sorte noch im Jahr der Ernte abfüllen (müssen), versuchen wir, unseren Hausverstand einzusetzen, um Filtrationsgewaltakte vermeiden zu können.

Vergangene Woche habe ich unsere verschiedenen Chargen vom Muskat Ottonel von den bis dahin zu Boden gesunkenen Hefezellen abgezogen und dabei gleich zu einer einheitlichen Gesamtmenge verschnitten.  Den weitaus größeren Teil habe ich danach wieder in Tanks gefüllt, wo er leicht trüb („auf der Feinhefe“) bis zur ersten Filtration im Jänner weiterreifen darf.

Gut 1000 Liter kamen aber das Hochzeitsfass meiner Eltern, weil sich die feinen Schwebeteilchen in Holzfässern erfahrungsgemäß viel schneller absetzen als in Tanks. Kaum eine Woche später ist der Wein hier im oberen Drittel auch ohne Filtration schon beinahe spiegelklar, und in zwei, drei Wochen wird er sich problem- und drucklos für die Abfüllung filtrieren lassen.

2 Gedanken zu „Hausverstand“

  1. Hallo Bernhard!

    „weil sich die feinen Schwebeteilchen in Holzfässern erfahrungsgemäß viel schneller absetzen “ – Das heißt, dass die großen Holzlagerfässer anders funktionieren als Stahltanks? Angeblich können sie bei Rotwein auch positiv auf die Tanninentwicklung wirken,obwohl sie im Gegensatz zu Barriques kaum noch Gerbstoffe im Holz haben dürften. Wie kommt es zu diesen Phänomenen? Übrigens, das Fass auf dem Foto ist sehr schön,
    LG as Tirol, Dieter

  2. Hallo Dieter,

    leider komme ich erst jetzt dazu, mich zu melden. Was die Selbstklärung betrifft „funktionieren“ Fässer in der Tat deutlich anders. Die Weine werden wesentlich (d.h. um Wochen oder Monate) schneller klar, was u.a. an der raueren Oberfläche und vielleicht auch am geringfügigen Sauerstoffeinfluß liegen dürfte.

    Durch den geringfügigen, aber stetigen Luftzutritt durch das Holz harmonisieren sich die Tannine auch besser als im Tank, sie verbinden sich besser/schneller untereinander und mit Farbstoffen und Aromen und werden dadurch stabiler und runder. Beim Rotweinausbau im Tank muß man dass durch häufigeres Umziehen samt Belüftung und/oder Mikrooxidation (Einblasen von geringsten Mengen reinem Sauerstoff) sozusagen imitieren, sonst bleibt die Sache ziemlich rau, unfertig und verschlossen.

    Grüße nach Tirol

    Bernhard

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