Der gläserne Wein (11)

In dieser Serie stelle ich, wie im ersten Beitrag angekündigt, jene Weinbehandlungsmittel und -zusatzstoffe ausführlich vor, die in unserem Keller bei der Weinbereitung zum Einsatz kommen. Das Gesamtbild unserer „gläsernen“ Weine entsteht dabei nach und nach in der entsprechenden Beitragskategorie und in Form von Querverweisen zu den einzelnen Teilen dieser Serie unterhalb des ersten Beitrages.

Luft (bzw. Sauerstoff)

Sauerstoff ist ein unverzichtbares Weinbehandlungsmittel. Obwohl er mittlerweile auch in reiner Form mittels technischer Geräte fein dosiert eingesetzt werden kann, verlassen wir uns auf die altbewährte Methode der Belüftung. Wichtiger als die exakte Dosis ist nämlich der Zeitpunkt der Anwendung. Er entscheidet, ob der Sauerstoff der Weinqualität nützt oder schadet, oder „nur“ zu einem stilistischen Unterschied führt.

Je nach Bedarf erfolgt der Einsatz von Sauerstoff aktiv, z.B. durch das plätschernde Befüllen eines Behälters von oben mit intensivem Luftkontakt oder passiv, z.B. durch die Lagerung des Weines im luftdurchlässigen Holzfaß.

Gebremst bzw. weitgehend unterbunden wird die Sauerstoffaufnahme durch möglichst seltenes Umpumpen des Weines, durch die Lagerung in Edelstahltanks, durch den Einsatz von SO2 bzw. Kaliumpyrosulfit und durch die Verwendung von Schraubverschlüssen.

Auch Inertgase wie Stickstoff oder CO2 können verwendet werden, um jegliche Luft samt dem in ihr enthaltenen Sauerstoff aus Schläuchen und Behältern zu verdrängen, bevor sie mit Wein befüllt werden. Da ein derartig reduktiver (d.h. sauerstoffarmer) Weinstil nicht in unserem Sinn ist, verzichten wir aber darauf.

In der Praxis

Weiß- und Rotweine haben einen recht unterschiedlichen Sauerstoffbedarf. Eine qualitätsorientierte Weinbereitung trägt dem Rechnung.

Anders als die Mehrzahl unserer Kollegen tolerieren oder beabsichtigen wir bei den Weißweinen einen relativ intensiven Luftkontakt bis zum Ende der Gärung. Die passive Mostoxidation führt zu langlebigeren, eleganteren Weinen, für die wir gerne in Kauf nehmen, dass sie nicht ganz so vorlaut fruchtig schmecken und einige Monate länger brauchen bis sie zeigen, was sie können. (Genaueres dazu gibt es in diesem pdf des Oenologen Volker Schneider.)

Auch während der Gärung kann Sauerstoff nützlich sein, um das Wachstum der Hefezellen zu fördern. Um ihn bei Bedarf tatsächlich in den gärenden Wein zu bringen, ist eine aktive Belüftung notwendig, da das entstehende CO2 die Luft aus den Behältern verdrängt.

Nach der Gärung brauchen die Weißweine kaum noch Sauerstoff für ihre Entwicklung. Die Mehrzahl unserer Weine reift daher möglichst ohne Bewegung mit moderatem SO2-Zusatz relativ lange auf der Feinhefe in Edelstahltanks. Diese vier Faktoren reduzieren den Sauerstoffeintrag auf ein absolutes Minimum.

Einzelne Chargen von Pinot blanc und Chardonnay bauen wir aber immer wieder auch bewußt in großen oder kleinen Fässern aus, damit die passive Luftzufuhr mehr und andere Nuancen zum Aufblühen bringen kann.

Wie hier bereits einmal beschrieben brauchen Rotweine in fast allen Phasen ihrer Entwicklung mehr Sauerstoff. Deshalb belüften wir sie bereits während der Gärung sehr intensiv. Das fördert nicht nur die Vermehrung der Hefezellen, sondern trägt auch zur Polymerisierung der Tannine bei. Dabei verbinden sich kurze Gerbstoffmoleküle mit Hilfe von Sauertoff zu längeren Ketten, die weniger bitter schmecken.

Nach der Gärung reifen die Roten bei uns immer in Fässern, um durch das Holz laufend geringe Mengen an Sauerstoff aufnehmen zu können. Haben wir beim Verkosten den Eindruck, dass diese Menge nicht ausreicht, werden Sie speziell im Jungweinstadium zusätzlich aktiv belüftet.

Darüber hinaus reifen die Rotweine auch wesentlich länger bis zur Abfüllung und können deshalb nicht nur mehr, sondern auch länger Sauerstoff aufnehmen.

Fazit

Gemeinsam mit seinem „Gegenspieler“ SO2 zählt der Sauerstoff zu den wichtigsten Weinbehandlungsmitteln überhaupt. Da er häufig nicht bewußt eingesetzt, sondern in gewissen Mengen schlicht als unvermeidlich angesehen wird, gilt er bei den meisten Weinliebhabern und Winzern nicht als Zusatzstoff.

Auch sein natürliches Vorkommen in der Luft trägt zu dieser Ansicht bei, die erst überdacht wird, seit auch reiner Sauerstoff in Druckflaschen für die Mikrooxidation von Weinen zum Einsatz kommt.

Egal in welcher Form, letztlich ist er ein harmloser Helfer in der Kellerwirtschaft, der aber bei übermäßigem Einfluß in allen Stadien von der Ernte bis ins Glas zu großen Qualitätseinbußen führen kann.

1 Gedanke zu „Der gläserne Wein (11)“

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