Denkwürdige Jahrgänge: 1987

Strenger Winter

1987 ist das älteste Weinjahr, mit dem ich eine unmittelbare persönliche Erinnerung verbinde.

Auch wenn ich nicht mehr sagen kann, an welchem eiskalten Winterabend es war, sehe ich noch heute meine Eltern vor mir, wie sie immer und immer wieder durchs Fenster auf  unser Außenthermometer gestarrt haben. Und wie dieses nicht und nicht zum Stillstand kommen wollte.

Minus 15, minus 18, minus 21. Am Ende waren es wohl etwa 23°C unter dem Gefrierpunkt und es war klar, dass diese Nacht nicht ohne gravierende Schäden an unseren Reben vorüber gehen würde.

Auch an die Aufforderung „Tu doch etwas!“ meiner Mutter an meinen Vater meine ich mich erinnern zu können. Viel mehr aber noch an das Gefühl der Ohnmacht, der Verzweiflung und – wahrscheinlich in meiner kindlichen Wahrnehmung etwas übersteigert – der Existenzangst.

Rund zwei Drittel unserer Reben sind in dieser Nacht erfroren. Auch in höher gelegenen Hanglagen, die gemeinhin als frostsicher gelten. Nicht selten bedeuteten wenige Zentimeter Stammhöhe mehr oder eine kleine Kuppe den Unterschied zwischen sein oder nicht sein.

Im Frühling stellte sich dann heraus, dass die Wurzeln und der bodennahe (und als Frostschutz im Herbst mit Erde bedeckte Teil) der Weinstöcke in den meisten Fällen dem Frost getrotzt hatten. Damit war zwar „nur“ die Ernte und nicht der gesamte Weingarten verloren, der Preis dafür war allerdings ziemlich hoch.

Alle oberirdischen Teile von zwei Drittel unserer Weinreben mußten mühsam entfernt und die in Bodennähe langsam keimenden Triebe wie bei Junganlagen den ganzen Sommer über sorgfältig nach oben gebunden werden. Deshalb war 1987 zwar das arbeitsreichste Weinjahr überhaupt, zugleich aber trotzdem jenes mit der kleinsten Ernte.

Die wenigen leicht- oder unversehrten Reben, die in diesem Jahr auch Trauben trugen, hatten es aber auch nicht leicht. Die Vegetation war spät dran und der Sommer nicht besonders aufregend. Zu allem Überdruss suchte auch die Peronospora, der falsche Mehltau, zahlreiche Reben und Trauben heim und sorgte für weitere und in diesem Jahr besonders schmerzhafte Ertragseinbußen.

Bei der Ernte war man deshalb wohl über jede halbwegs heile Traube froh, auch wenn ihre Reife wetterbedingt oft zu wünschen übrig ließ. Die meisten Weine waren dementsprechend schlank und säurebetont und sind ein Lehrbeispiel dafür, dass niedrige Erträge nicht automatisch hohe Qualität bedeuten müssen.

Um unsere Stammkunden in der Gastronomie (die damals ein sehr wichtiges Standbein waren) trotz geringer Menge bis zu den ersten Frühfüllungen des nächsten Jahrgangs mit ausreichend Schankwein versorgen zu können, haben meine Eltern damals den Verkauf von 2l-Flaschen an Privatkunden (der in dieser Zeit noch sehr rege war) vorübergehend eingestellt.

Manche Kunden gingen deshalb verloren, die meisten akzeptierten aber die Entscheidung, reduzierten ihre Bestellmengen und wechselten zu 1l-Flaschen und Bouteillen. Unbeabsichtigt und unfreiwillig haben meine Eltern damit wahrscheinlich ein ganz klein wenig zum Qualitätsbewußtsein unserer Weinkunden beigetragen:

Als es nämlich bald nach der reichen Ernte 1988 bei uns auch wieder Landweine im Doppler für Private gab, kehrten nur wenige zu ihren alten Konsumgewohnheiten zurück.

3 Gedanken zu „Denkwürdige Jahrgänge: 1987“

  1. hallo bernhard,

    anscheinend dürfte das burgenland von den minus-rekordtemperaturen wie bei uns im retzer-land (nw-weinviertel) verschont worden sein.
    ende Jänner lag der traurige rekord bei uns zuhaus bei – 25,5° C.
    somit müssen wir mit ziemlicher sicherheit mit frostschäden rechnen. die tiefe winterruhe gibt uns allerdings hoffnung, dass nur die frostlagen (und weniger begünstigten lagen) stark geschädigt wurden.
    erste nachschaun bestätigen diese vermutung.

    eigentlich erstaunlich, dass bei solchen rekord-temperaturen nicht die gesamten nw-weinvieteler weingärten „erfroren“ sind.

    allerdings ist diese ohnmacht, wie du sie auch beschrieben hast, ziemlich bitter.
    jetzt bleibt uns nur den austrieb abzuwarten – erst dann werden wir gewissheit über das tatsächliche ausmaß der schäden in unseren rieden haben.

    schöne grüße aus dem weinviertel ins burgenland!
    martin

  2. nachdem es vorübergehend (leider nur sehr kurzfristig) bereits wärmer geworden ist, kann man sich die „augen“ des einjährigen Holzes ansschaun. vereinfacht ausgedrückt: sind diese grün, sind sie gesund; sind diese braun, sind sie leider erfroren und werden im frühjahr nicht austreiben.
    martin

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