Weinrallye #33: Muskat Ottonel

WeinrallyeHeute ist wieder Wein(blog)rallye-Tag, und diesmal stammt das Thema von „Vinissimus“ Robert Freudenthaler. Alle deutschsprachigen Genussblogger, die Lust dazu haben befassen sich deshalb heute mit Weinen aus Aromasorten.

Allzu schwer sollte das wohl nicht fallen, erleben doch die Rebsorten mit ausgeprägtem Aroma in den letzten Jahren einen richtigen Boom. Auch in unserem Sortiment ist in letzter Zeit mit dem Muskat Ottonel eine ausgewiesene Bukettsorte sehr gefragt.

Diese Entwicklung sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass markante Weintypen wie Sauvignon, Muskat, Sämling und Co. viel stärkeren Modewellen unterworfen sind, als vergleichsweise neutrale Weine wie Grüner Veltliner, Weißburgunder, Chardonnay und Konsorten.

Wirtschaftswunderwein

Tafeltraube ÖWM Kohl bearbeitetDen letzten ganz großen Boom erlebten die Aromasorten in Österreich in den 1960er- und 70er-Jahren. Traminer, Muskat, Müller-Thurgau und (wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß) Sämling 88 (=Scheurebe) und Muskat -Silvaner (=Sauvignon blanc) waren in.

Bei uns in Mörbisch spielte dabei der wohl schon länger hier verbreitete Muskat Ottonel die größte Rolle. In Jahren mit guter Erntemenge (die beim blüteempfindlichen Muskat eher die Ausnahme als die Regel darstellt) war die Sorte in manchen Kellern sogar die Nummer 1.

Dass der Mörbischer Muskat damals eine große, auch überregionale Bekanntheit erlangt hat, lag aber wohl nicht nur an der Menge, sondern auch an der Qualität. Zahlreiche Geschichten ranken sich um die Sorte, und jeder Mörbischer Weinbauer hatte sein Geheimrezept, mit dem er der Sorte noch mehr Ausdruckskraft abzuringen glaubte.

Bei Weinproben im Kollegenkreis, den in der Mundart sogenannten Kellerpartien, konnten alle Weine noch so gut ausgefallen sein, als gelungen galt ein Jahrgang nur, wenn auch der Muskat Ottonel beeindrucken konnte.

Weinbauern, die es besonders spannend machen wollten, präsentierten deshalb den Muskat gerne erst nach der Verkostung der Rotweine. Dass das Aroma auf diese Weise noch viel intensiver zum Ausdruck kommt, war bei Proben mit Weinkunden ein sicherlich verkaufsfördernder Nebeneffekt.

Den Geschmacksvorlieben der damaligen Zeit entsprechend, waren die Muskat-Weine 60er und 70er ausgesprochen intensiv, kraftvoll und süß. Für ersteres wurde da und dort wohl auch mit einer Gärung auf der Maische (mit den aromatischen Schalen) experimentiert, und für letzteres war ein später Lesetermin üblich und die Aufbesserung gang und gäbe.

Weil es damals keine Möglichkeiten für eine echte Sterilabfüllung gab, und auch die üblichen hohen SO2-Mengen allein nicht für eine mikrobiologische Stabilität garantieren konnten, wurden die gärenden Weine häufig so lange mit Rübenzucker aufgebessert, bis der Alkoholgehalt ein Niveau von 14, 15 oder mehr Prozent erreichte, und die Hefe absterben ließ.

Einmal, so die Legende, wurde ein Weinbauer so lange von einem Kollegen gebeten, ihm doch zu verraten, warum sein Muskat Jahr für Jahr zu den besten des Ortes zählt, bis dieser sich gezwungen sah, eine Geschichte erfinden, um nicht mehr weiter behelligt zu werden.

Das Geheimnis liege in der Aufbesserung, sagte der Muskat-Spezialist. Die führe er nämlich nicht mit gewöhnlicher Saccharose, sondern mit Vanillezucker durch, um den Muskat noch aromatischer zu machen.

Angeblich nahm das der Kollege das für bare Münze, besorgte sich unter dem Vorwand, große Mengen an Mehlspeisen für eine Hochzeit backen zu müssen jede Menge Vanillezucker und verwendete diesen, um Alkohol und Aroma zu verbessern. Wie er das mit Sicherheit unbrauchbare Resultat dann entsorgt hat, ist leider nicht überliefert.

Wie Blei im Keller

Holunderblüte Foto: Wikipedia/JeLuFSchon Ende der 1970er begannen sich die Weinvorlieben der Österreicher aber langsam zu wandeln, und spätestens mit dem Weinskandal von 1985 waren die süßen, Alkoholbomben passé.

Während es den Weinbauern jedoch gelang, mit der quasi Neuerfindung von Welschriesling, Veltliner und Weißburgunder in einer trocken(er)en, eleganten Form dem Trend zu folgen, lagen Muskat, Müller-Thurgau und Traminer in vielen Kellern wie Blei in den Fässern.

In den 90ern wurde deshalb Weingarten um Weingarten gerodet, und in manchen Mörbischer Betrieben verschwand der Muskat sogar völlig aus dem Sortiment. Auch bei uns waren am Ende nicht einmal mehr 2000 m2 damit bestockt, und ein völliges Aufgeben der Sorte stand durchaus im Raum.

Immerhin war damals sogar diese geringe Menge schwierig zu verkaufen, und wir verzichteten zumindest einmal auf die Abfüllung eines guten Jahrganges, weil vom Vorgänger noch mehr als genug auf Lager war.

Alle Versuche, den Muskat zu modernisieren schienen nichts zu helfen. Die sukzessive Reduzierung des Restzuckers von 30 der mehr Gramm pro Liter auf etwa 15, später ungefähr neun und zuletzt sechs Gramm brachte kaum mehr neuen Kunden als sie alte Muskatliebhaber vergraulte.

Ein neuer Stil, ein neuer Boom

Muskatnuss ÖWM Kohl bearbeitetDer Jahrgang 2000 war schließlich unser allerletzter Versuch mit dem inzwischen nur noch wenig geliebten Muskat. Obwohl ein heißer Jahrgang mit wenig Säure in den Trauben gelang es uns dank sehr früher Lese einen ungewöhnlich frischen Wein zu keltern.

Inspiriert vom seiner Lebendigkeit wagten wir den Verzicht auf den mittels Süßreserve eingestellten Restzucker und füllten den Wein so knochentrocken wie er war.

Auch wenn der Muskat aufgrund seines vergleichsweise niedrigen Säuregehaltes nie so „trocken“ (sprich: sauer) schmeckt, wie andere Sorten, lag darin doch ein gewisses Risiko. Wurde (und wird bis heute) die Sorte doch von den allermeisten Konsumenten je nach Geschmacksvorliebe positiv oder negativ mit einer mehr oder weniger deutlichen Restsüße assoziiert.

Anfangs bescherte uns der neue, moderne Stil einigen Erklärungsbedarf, aber recht bald zeigte sich, dass sich diese Mühe lohnt. Stammkunden, die bis dahin nichts mit dem Muskat am Hut hatten, ließen sich zu einer Kostprobe überreden um dann nicht selten einen Karton mit nach Hause zu nehmen. Und auch neues Publikum war mit dem neuen Stil zu erreichen.

Natürlich wäre es vermessen, den Erfolg unseres Muskat allein in der geänderten Stilistik zu suchen. Irgendwann um das Jahr 2000 begann, zuerst kaum bemerkt, eine Renaissance der Aromasorten, deren Rückenwind die Vermarktung unseres Muskat gehörig erleichterte.

Das Comeback der Bukettweine blieb auch jenen Mörbischer Kollegen nicht verborgen, die sich längst völlig von der Sorte verabschiedet hatten. Um davon profitieren zu können, setzten und setzen aber interessanterweise viele eher auf den noblen Sauvignon blanc oder den trendigen Muskateller.

Mit unserem Ansatz, die bodenständige Sorte Muskat Ottonel in einer zeitgemäßen Interpretation wiederzubeleben sind wir im Ort völlig, und österreichweit beinahe allein geblieben. Nachdem wir uns die ersten 2000er-Jahre mit dem Zukauf von Trauben beholfen haben, sind wir heute dank einiger Neupflanzungen nahezu in der Lage, die stark gestiegene Nachfrage selbst abzudecken.

Mittlerweile ist der Muskat Ottonel unser wichtigster Weißwein und wir haben uns längst mit ihm versöhnt. Bleibt nur zu hoffen, dass die derzeitige Modewelle der Aromasorten noch viele Jahre anhält…

P.S.: Wer wissen möchte, wie unser Muskat schmeckt, dem empfehle ich diesen Weinrallye-Beitrag des Schnutentunkers. Übrigens auch ein schönes Beispiel dafür, dass leichte, auf Jugendlichkeit und Frische hin vinifizierte Weine aus gar nicht so wahnsinnig niedrigem Ertrag nicht grundsätzlich spätestens ein Jahr nach der Ernte ihren Reiz verlieren müssen.

2 Gedanken zu „Weinrallye #33: Muskat Ottonel“

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