Die Angst vor dem Markt

Junge Reben am Goldberg

Neben den Auswirkungen auf die Weinbereitung und die grundlegende Reform des Bezeichnungsrechtes stand die ebenfalls mit der EU-Weinmarktordnung beschlossene Abschaffung der Pflanzrechte im Jahr 2015 bisher weitgehend im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung.

Während derzeit alle Weinbauflächen in manchen Südländern eher schlecht als recht eu-weit katalogisiert sind, und nur Grundstücke mit Reben bepflanzt werden dürfen, auf die ein Pflanzrecht eingetragen ist oder von anderer Stelle transferiert wurde, soll die Errichtung neuer Weingärten in wenigen Jahren keiner Beschränkung mehr unterliegen.

Diese Bestimmung wurde offenbar von liberalen Kräften bei den Verhandlungen zur Weinmarktreform durchgesetzt, während die konservative Gegenseite gleichzeitig ein groß angelegtes und finanziertes Rodungsprogramm zur Überschußbekämpfung in das Papier reklamiert hat.

Dass die geförderte Rodung durch eine Abschaffung der Flächenregulierung ein paar Jahre später wohl weitgehend wieder wettgemacht werden wird, und die Prämien deshalb hinausgeschmissenes Geld kaum längerfristig wirksam sein werden, fällt unter EU-Verhandlungslogik.

Vielleicht haben die Gegner der Liberalisierung damals aber auch schon spekuliert, die Rebflächenliberalisierung noch vor ihrem Inkrafttreten zu Fall bringen zu können. Auf jeden Fall haben sie rechtzeitig vor der geplanten Evaluierung der Weinmarktordnung im kommenden Jahr begonnen, mit allen Mitteln dagegen Stimmung zu machen.

Die deutsche Weinbaupolitik schürt dabei gerne die Angst vor dem Verfall der Steillagen, wenn es gegen die Abschaffung der Pflanzrechte geht. Und ein namhafter österreichischer Weinbaupolitiker warnte unlängst vor zersplitterten Weingartenfluren und einem unkoordinierten Wildwuchs an Rebflächen.

Während es bei unseren Nachbarn aber durchaus Widerspruch gegen diese Art der Argumentation gibt, der auch auf öffentliches Interesse stößt, ist es in den heimischen Weinbauregionen diesbezüglich sehr sehr ruhig.

Dabei zeigt die Realität Tag für Tag, wie wenig die (noch) geltenden Beschränkungen den Verfall von schwierig zu bewirtschaftenden Lagen und die Zersplitterung der Weingartenfluren durch den Strukturwandel verhindern können.

Auch wäre Österreichs Weinbaugeschichte in den letzten 30 Jahren wohl nicht wesentlich anders verlaufen, wenn man Anfang der 80er-Jahre keine Flächenbeschränkung beschlossen hätte.

Immerhin kamen der Verfall der Trauben- und Faßweinpeise und der Weinskandal trotz Flächenbeschränkung. Und der von einem stark veränderten Konsumverhalten (also dem „Markt“) beschleunigte Strukturwandel hat sich als wesentlich wirksamerer Steuerungsmechanismus der Rebfläche (des „Angebotes“) entpuppt, als staatliche Beschränkungen.

Obwohl nämlich für einige 1000 Hektar mehr Pflanzrechte vorhanden wären, ist Österreichs Rebfläche heute nur (noch) so groß, dass sie bei durchschnittlichen Erntemengen ziemlich genau den heimischen Weinbedarf deckt.

Dieses Gleichgewicht hätte sich übrigens noch schneller eingestellt, wenn die Politik auf nicht selten wahltaktisch motivierte „Hilfsaktionen“ wie das Aufkaufen von Überschußweinen, Prämien für die Rodung von Weingärten oder die Vernichtung von Trauben um teures (Steuer-)Geld verzichtet hätte.

Natürlich kommen solche Marktinterventionen nur zustande, wenn es genügend Weinbauern gibt, die der (in Österreich durchaus weit verbreiteten) Meinung sind, der Staat wäre für das eigene Schicksal hauptverantwortlich.

Dass die Weinbaupolitik aber immer wieder gerne auf dementsprechende Meinungen hört (oder sie in vorauseilendem Gehorsam bei diversen Beschlüssen vorwegnimmt), zeugt von einer tiefsitzenden Abneigung der Entscheidungsträger gegen liberale(re) Produktionsbedingungen.

Vielleicht liegt das am historisch bedingt schwierigen Verhältnis der gesamten Landwirtschaft zum Markt. Obwohl der Weinbau eigentlich jene Agrarbranche ist, die sich dank der enormen Veredelungsmöglichkeiten ihres Rohproduktes Traube am ehesten ohne Interventionen „von oben“ behaupten kann.

Möglicherweise ist es aber auch die Angst vor dem Macht- und Kontrollverlust, wenn selbstbewußt agierende Weinbauern einen Stück mehr ihres wirtschaftlichen Umfeldes gestalten können, ohne auf die Agrarbürokratie angewiesen zu sein.

3 Gedanken zu „Die Angst vor dem Markt“

  1. Ich glaube tatsächlich das in deinem letzten Absatz das wesentliche gesagt wird.
    Der Macht- und Kontrollverlust des Wasserkopf wird aber letztlich doch nur zu Verzögerungen führen, denn vor den internationalen Gerichtshöfen wird unter dem Aspekt der Gleichbehandlung z.B. ein einseitiger national praktizierter Anbaustopp fallen. Viele bisherige nicht-weinbautreibende EU Länder wollen ihre Landwirtschaft mit Hilfe des Weinbau umstrukturieren und aufpäppeln.

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