Prognosen sind immer schwierig.

Besonders wenn sie die Zukunft betreffen!

Als vor zehn Jahren die Diskussionen rund um die Einführung einer herkunfts- statt sortenorientierten Weinbezeichnung in Form von DAC-Weinen (hier Presseaussendung 2/2003 anclicken) in Österreich ihren ersten Höhepunkt erreichten, wurde von den Befürwortern der Herkunftstypenweine ein ganz konkretes Weinbeispiel immer und immer wieder in die Schlacht geworfen:

Die Billig-Weinmarke „Winzersteig“ war damals aufgrund steigender Faßweinpreise nach mehreren kleineren Ernten von österreichischen auf ungarische Weine umgestellt worden. So standen für (glaube ich) 19,90 Schilling (ca. 1,45 €) plötzlich Grüner Veltliner und Blaufränkisch aus Ungarn im Supermarktregal, ohne das es den Konsumenten aufgefallen wäre.

Nicht, dass die Weine falsch deklariert worden wären (Ungarn stand so klein wie legal möglich auf dem (Rück)Etikett), aber die meisten Leute, die in dieser Preisklasse Wein einkaufen, gehen wohl davon aus, dass es Veltliner und Blaufränkisch nur in Österreich gibt und setz(t)en daher durchaus nachvollziehbar Sorte mit Herkunftsland gleich.

Dieses Ereignis kam den DAC-Befürworten gerade recht. Massen von billigem Grünen Veltliner und Blaufränkisch würden uns überfluten, sobald Ungarn, Tschechien und die Slowakei Mitglieder der Europäischen Union wären. Von der Billigkonkurrenz aus dem Osten, die uns mit unseren eigenen Waffen Sorten schlagen würde, war die Rede. In einem offiziellen Diskussionspapier hieß es:

Österreichische Weine, die in erster Linie unter den Rebsortenbezeichnungen Grüner Veltliner, Welschriesling, Zweigelt oder Blaufränkisch vermarktet werden, geraten in Konkurrenz zu Weinen aus den östlichen Reformländern, welche diese Rebsortenweine sehr preisgünstig produzieren und vermarkten können.

Die einzige Möglichkeit zur Gegenwehr läge in der Einführung von DAC-Weinen, die den nicht „kopierbaren“ Herkunftsnamen vor den Sortennamen stellen. Punkt!

Natürlich war dieses Argument schon damals falsch (was aber keinen der Befürworter von der Verwendung desselben abgehalten hat). Herkunftsbezeichnungen beim Wein sind nur glaubwürdig, wenn sie hochwertig und kontrolliert sind. Und da sowohl Qualität wie auch Kontrolle Geld kostet, spielen seriöse Herkunftsweine niemals in der Billigschiene.

Nicht umsonst haben die seither etablierten DAC-Weine Mindestpreise von fünf Euro oder mehr und sprechen daher eine ganz andere Zielgruppe an, als „Winzersteig“ und Konsorten. Jemand, der gewohnt ist um 1,50 Euro Wein zu kaufen, läßt sich auch durch die schönste Herkunftsangabe nicht dazu verleiten, ab sofort nur noch mindestens fünf Euro auszugeben. Und er läßt sich ebensowenig davon abhalten, ungarischen Blaufränkisch oder tschechischen Veltliner zu kaufen, wenn es in seiner Preiskategorie keine österreichischen Pendants gibt.

10 Jahre später

Seit damals ist viel passiert. Schon ein paar Jahre nach diesen Krisenszenarien folgten einige größere Ernten aufeinander und die heimische Weinwirtschaft hatte nicht mit Weinmangel sondern mit Überschüssen zu kämpfen. Der Faßweinpreis für einfache Qualitäten sank, der „Winzersteig“ kam wieder aus Österreich (was nicht unbedingt ein Renommee darstellt) und der Billig-Tankwein-Export wurde angekurbelt.

Wohin? Ausgerechnet nach Tschechien, weil es dafür Exportstützungen der EU gab (solange Tschechien nicht selbst Mitglied war). Mit bis zu 21 Millionen Litern pro Jahr war unser nördlicher Nachbar damals unser zweitgrößter Exportmarkt und diese Mengen trieben die heimische Weinexportmenge auf Rekordniveau.

Einige kleinere Ernten und einen Weißweinboom später exisitert dieser Billig-Export heute kaum noch. Im Moment sind wir mengenmäßig eher wieder in der Situation von 1998, aber obwohl der Export für unsere Nachbarstaaten nach ihrem EU-Beitritt heute viel einfacher wäre als vor zehn Jahren, ist weit und breit keine Ostwein-Schwemme zu sehen.

Im Gegenteil: Heute Nachmittag habe ich von einem ungarischen Winzerkollegen erfahren, dass er regelmäßig gar nicht so kleine Mengen Faßwein im Burgenland einkauft, um ihn in Ungarn abzufüllen und zu verkaufen. Auch die in Ungarn tätigen heimischen Winzer berichten davon, dass sie ihren ungarischen Wein nicht oder kaum nach Österreich exportieren, weil sie ihn in Ungarn (oder auch in anderen Ländern) gut und zum Teil sogar teurer vermarkten können.

In der slowakischen Hauptstadt Bratislava etabliert sich das nördliche Burgenland und das angrenzende niederösterreichische Gebiet Carnuntum als Ziel für Weineinkaufstouren. Anstatt uns billigen Blaufränkisch zu liefern kaufen die Slowaken offenbar mittlerweile gerne Wein in Österreich. Und in Tschechien ist es kaum anders, wie die regen Aktivitäten heimischer Winzer auf den Prager Weinmessen belegen.

Möglicherweise liegt das aber ja nur daran, dass Tschechen, Ungarn und Slowaken den österreichischen Veltliner irrtümlich a la „Winzersteig“ für tschechischen bzw. ungarischen bzw. slowakischen halten. In diesem Fall wäre eine Betonung der österreichischen Herkunft (z.B. durch die Einführung von DAC-Weinen) natürlich völlig kontraproduktiv…

Anmerkung:
Dieser Kommentar drückt meine private Meinung als burgenländischer Winzer aus. Sollten gewisse Persönlichkeiten aus der Weinbaupolitik wieder einmal von Informanten über meine kritischen Ansichten informiert werden, sei ihnen versichert, daß ich sehrwohl in der Lage bin, zwischen sachlicher, objektiver Information in Weinseminaren und privater Meinung in meinem eigenen Weblog und wo auch immer zu trennen.

6 Gedanken zu „Prognosen sind immer schwierig.“

  1. hallo bernhard,

    mit interesse verfolge ich deinen stellungnahmen zur österreichischen weinbaupolitik, hat sich diese, bzw. die marktsituationen seit ich mitten im studium den weinskandal von 86 erlebt habe und damit auch ein generationswechsel eingeleitet wurde, stark und schnell immer wieder verändert.

    zu deiner anmerkung: müssen „gewisse Persönlichkeiten aus der Weinbaupolitik“ informanten haben? können sie hier nicht mitlesen und eventuell auch hier herinnen stellung beziehen?
    ich hoffe aber nicht, dass es zw. deiner privaten meinung und der „sachlicher, objektiver Information in Weinseminaren“ einen unterschied gibt, die deine hier wird doch nicht unsachlich und nur subjektiv sein, oder?

    mfg
    armin

  2. Hallo Armin!

    Mein letzter Absatz ist ganz sicher unsachlich, auch wenn der wahre Kern der Ironie wohl nur sehr Eingeweihten annähernd verständlich wird. Über den Rest darf jeder gerne selber urteilen. Nach journalistischen Grundsätzen sind aber wohl die allermeisten Blog-Beiträge keine (so objektiv wie möglichen) Meldungen, sondern (mehr oder weniger deutlich persönlich eingefärbte) Kommentare.

    Die Anmerkung ist lediglich eine Vorsichtsmaßnahme, nachdem man mir vor einigen Jahren wegen einiger kritischer Online-Beiträge zu diesem Thema einen Strick aus der Tatsache drehen wollte, dass ich mir nicht nur eine eigene Meinung leiste, sondern diese im passenden Rahmen – und nur dort – gelegentlich auch sage.

    Das sie ganz nebenbei auch ein bezeichnendes Licht auf manche Vertreter der Agrarpolitik wirft, ist eine nicht ganz zufällige Nebenwirkung.

    Kryptische Grüße

    Bernhard

  3. „Einige kleinere Ernten und einen Weißweinboom später exisitert dieser Billig-Export heute kaum noch.“

    Hmm … war’s nicht eher ein Rotweinboom, der zulasten der Weißwein-Rebflächen ging?

  4. Der Rotweinboom hat natürlich auch „geholfen“, weil die Weißweinfläche etwas zurückgegangen ist. Aber 2003 war z.B. die Weißweinfläche im Vergleich zu 1998 auch schon deutlich reduziert und die Weißweinerntemenge relativ klein, der Faßweinpreis für die Weißen aber trotzdem niedrig und die Exportmenge nach Tschechien hoch.

    Mein Satz bezieht sich daher auf die aktuelle Situation. Erst seit ein oder zwei Jahren merkt man deutlich mehr Interesse am Weißwein und nur die Kombination von geringeren Ernten UND höherer Nachfrage hat den Billigweißweinexport uninteressant gemacht.

    Wenn im Inland für einfache Faßweinqualitäten 0,60 €/l gezahlt werden (für Rotwein mittlerer Qualität übrigens nur 0,45 €/l) wäre es dumm, für 0,30 €/l in großem Stil nach Tschechien zu liefern.

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